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Das vergessene Zepter

Das vergessene Zepter

Titel: Das vergessene Zepter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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diese albernen Gewänder ausziehen«, überlegte Hellas laut. »Die sind möglicherweise mit einem Lockstoff getränkt, den wir gar nicht riechen können, aber die um so besser.«
    Â»Dann wären sie uns doch gefolgt, Hellas«, berichtigte Rodraeg. »Nein, ich glaube, daß wir die einzelnen Elemente dieses Rätsels falsch zusammensetzen.«
    Â»Rätsel?« fragte Bestar. »Welches Rätsel denn?«
    Â»Wie wir weiterkommen sollen«, erläuterte Rodraeg geduldig. »Wir können nicht mehr zurück, stimmt’s? Also erwartet die Höhle von uns, daß wir weitergehen. Wir können nicht über den Abgrund springen. Wir können nicht runterklettern oder -hüpfen und an der anderen Seite wieder hoch. Wir können keinen Haken hinüberwerfen, weil der nirgendwo Halt findet. Wir können keine Brücke bauen, weil es hier kein Material gibt. Und wir können nicht fliegen. Die Fleischfliegen aber können fliegen. Jungs – ich glaube, ich weiß jetzt, wozu diese Gewänder gut sind.«
    Â»Du gehst doch wohl nicht zum Schwarm zurück?« fragte Hellas ungläubig.
    Â»Doch. Ich glaube, daß wir es hier mit einer Frage der Einstellung zu tun haben. Ein Sprung des Vertrauens, wenn man so will. Wären die Fleischfliegen einfach nur hungrige Raubtiere, wären sie uns längst gefolgt und hätten uns gefressen. Sie sind etwas anderes. Wächter. Boten. Prüfer. Wenn man ihnen nicht als Beute gegenübertritt und nicht als Feind, sondern als einer, der von den Riesen gesandt Einlaß begehrt in die weiteren Geheimnisse dieser Höhle, dann werden sie einen weiterführen.«
    Â»Wenn du dich irrst, klappert dein Skelett in den Abgrund«, brachte Eljazokad es auf den Punkt.
    Â»Richtig. Und das macht mich zum geeignetsten Anwärter für den ersten Versuch. Da ich der einzige von uns bin mit einer Krankheit, die ohnehin binnen weniger Monde zum Tode führt, bringe ich das geringste Opfer, falls es nicht funktioniert.«
    Jetzt kam in Bestar Bewegung. »Ich komme mit dir. Vielleicht kommen die Fliegen nur deshalb nicht in diesen Gang, weil es ihnen hier zu heiß ist. Hellas glaubt zwar nicht daran, daß es etwas bringt, auf sie zu schießen, aber ich glaube sicher daran, daß es etwas bringt, wie bekloppt mit dem Schwert um sich zu hauen, wenn sie anfangen, dich aufzufressen.«
    Â»Aber …«, begann Rodraeg, sprach jedoch nicht weiter. Wenn es wirklich um einen Test des Vertrauens ging, konnte Bestars feindselige Haltung alles gefährden. Aber wie das ihm klarmachen? Und was, wenn es nicht nur darum ging, den Fliegen zu vertrauen, sondern auch den eigenen Männern? Rodraeg hatte nie damit aufgehört, sämtliche Einfälle und Gedanken seiner Weggefährten zu hinterfragen. Weil er zur Selbständigkeit erzogen worden war. Weil die Händlerseelen seiner Ahnen nichts anderes gekannt hatten als wohlbegründetes Mißtrauen. Vielleicht war es ja das, was als schwarzes Tier in seinem Inneren wütete: der Zweifel an allem und jedem, der ihn bei der Terrek-Mission auch dazu bewogen hatte, Naenn zu Hause zurückzulassen. Andererseits wiederum: was für ein Glück, daß Naenn nicht mit in Gefangenschaft geraten war. Nicht auszudenken, was das giftige Wachs ihrem ungeborenen Kind angetan hätte.
    Das Rasen der Gedanken verstärkte den Druck auf seine Lunge. Er nickte Bestar einfach zu, und gemeinsam schoben sie sich zurück zur bedrohlich summenden Gangmündung. Das Licht der hundert Kerzen wurde hundertfach durch schwarzes Hagelgestöber durchbrochen.
    Rodraeg hatte Angst. Sich diesem zahnbewehrten Sturm auszusetzen, nur weil eine innere Stimme ihm erzählte, daß die Riesen vertrauenswürdig seien, widersprach all seinen Lebensgrundsätzen. Auch wußte er nicht, ob er sein Vorhaben mit Schwert und Rucksack wagen konnte oder ob das zusätzliche Gewicht sein Scheitern herbeiführen würde. Aber wer von ihnen sollte die Ausrüstung über die Schlucht werfen, ohne bereits von den Fliegen behelligt zu werden? Dazu war es jetzt zu spät.
    Nach einem letzten Blick zu dem mit gezogenem Schwert auf der Unterlippe kauenden Bestar löste Rodraeg sich von der Wand und trat hinaus in das Chaos des Raubinsektenschwarms. Er streckte die unbewaffneten Hände nach oben und sagte: »Bitte tragt mich hinüber.«
    Die Fliegen fielen über ihn her wie Aasgeier

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