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Das vergessene Zepter

Das vergessene Zepter

Titel: Das vergessene Zepter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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über ein verendetes Vieh. Für einen furchtbaren Moment glaubte Rodraeg, sich ganz idiotisch geirrt zu haben, aber dann spürte er, wie die Fliegen sich in sein Gewand, seinen Rucksack und sogar in die Umhängetasche verbissen, in der er seinen Anderthalbhänder spazierentrug. Sein Gesicht und seine nackten Arme und Unterschenkel wurden zwar von knisternden Chitinleibern berührt, nicht jedoch verwundet. Das Gewand wurde von Hunderten von Schnappmäulern gepackt und gezogen, bis es Rodraegs Leib ganz einschnürte. Dann hob ihn der Schwarm an, trug ihn über die Schlucht und setzte ihn auf der anderen Seite sanft wieder ab.
    Rodraeg hustete und lachte gleichzeitig. Als die Felskante unter ihm fortgeglitten war und er mit ausgebreiteten Armen ungesichert über dem Abgrund schwebte, war ihm der Atem weggeblieben und ein unglaubliches, schwindelerregendes Gefühl vom Unterleib in den Kopf geschossen, so daß er sich auch jetzt noch ganz trunken fühlte. »Beeilt euch!« rief er abwechselnd lachend, winkend und keuchhustend seinen im fernen Höhlengang kauernden Gefährten zu. »Macht es wie ich! Traut euch einfach und laßt euch tragen! Es ist großartig!«
    Bestar war der erste, obwohl er als einziger schon von den Fliegen angegriffen worden war. Er vertraute auf Rodraeg, lief nach vorne zum Rand, reckte die Arme hoch, rief: »Tragt mich bitte auch!« und wartete ab. Die Fleischfliegen kamen, packten ihn und hatten nicht mehr Mühe als mit dem verhältnismäßig leicht gebauten Rodraeg. Eljazokad folgte als nächster, bleich zwar und mit fest zusammengekniffenen Augen, aber als er auf der anderen Seite ankam, ordnete er seine stachelige Frisur und lachte genauso überspannt wie Rodraeg und Bestar.
    Zum Schluß blieb nur noch Hellas drüben. Die Fliegen waberten über dem Abgrund, warteten eine Entscheidung ab.
    Â»Jetzt seid ihr zu dritt. Wirf mir deinen blöden Wurfhaken rüber, Bestar.«
    Â»Du kannst dich einfach tragen lassen, Hellas«, antwortete Bestar. »Sieh doch: Sie tun uns auch jetzt nichts.«
    Â»Ich traue keinen Scheißhausfliegen, auch wenn sie noch so freundlich grinsen. Werft her und holt ein, während ich springe.«
    Â»Bei den Göttern, laß den Quatsch!« beschwor ihn auch Rodraeg. »Du gefährdest dich völlig unnötig!«
    Â»Ich traue euch. Das ist schon mehr, als je zu erwarten gewesen wäre.«
    Â»Also gut.« Bestar warf ihm den Haken hinüber und hielt das andere Ende des zwanzig Schritte langen, immer noch aus seinem und Eljazokads Stücken zusammengeknoteten Seiles fest um die Rechte gewickelt. Hellas lief geduckt aus dem Eingang, wich den Fliegen ein Stück weit aus, griff sich im Rennen den Haken vom Boden und sprang. Bestar wickelte sich das nachgelassene Seil so schnell wie möglich um Ellenbogen und Handfläche seines linken Armes herum, während Hellas durch die Luft flog, damit der Bogenschütze nicht zwanzig Schritte tiefer gegen die Felswand prallte. Eljazokad und Rodraeg ihrerseits hielten Bestar am Gürtel fest, damit dieser den bevorstehenden Ruck abfangen konnte.
    Acht der zwanzig Schritte konnte Bestar verkürzen. Drei Schritte stand er vom Abgrund entfernt. Hellas krachte also in neun Schritten Tiefe gegen die hintere Felswand, konnte aber mit den Füßen und angewinkelten Beinen den Aufprall annähernd schmerzfrei abfedern. Den Haken hielt er mit nichts weiter als seinen wohlgeübten Bogenspannfingern.
    Der Ruck riß Bestar noch mal einen Schritt nach vorne, dann stand er – auch dank Eljazokads und Rodraegs Hilfe – fest, und zu dritt konnten sie das Seil nun hochziehen, indem sie rückwärts gingen.
    Hellas kletterte aus eigener Kraft über die Kante. Dem Bogen über seinem Rücken war nichts passiert.
    Die Fleischfliegen ließen den Weißhaarigen in Ruhe, ballten sich über dem Abgrund und stießen dann wie eine flirrende Faust nach unten ins Abgrunddunkel, wo ihr Summen verhallte.
    Das Mammut war bereits in den nächsten Gang vorgedrungen.
    ein zwischenraum
    Eine Stimme raschelte in ihren Köpfen wie Käfer im Laub:
    Â»Laßt euch leiten
    ihr müßt weiterschreiten
    müßt euch vorbereiten
    euch zu Riesen weiten.«
    Â»Na wunderbar«, sagte Hellas. »Da haben wir aber Glück, daß diese Höhle nicht von Gnomen erbaut wurde.«
    Â»Du hast wirklich was verpaßt«, versuchte

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