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Das verlorene Gesicht

Das verlorene Gesicht

Titel: Das verlorene Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Johansen
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dennoch beschlich sie ein ungutes Gefühl. Eve Duncans Konterfei erschien auf dem Bildschirm. Zerzauste Locken, kaum Make-up, große, braune Augen hinter runden Brillengläsern. Dieses Gesicht hatte Charakter, mehr als genug, um diese Frau nicht nur attraktiv, sondern faszinierend aussehen zu lassen. Aber sie missachtete die wichtigsten Regeln der Macht; sie benutzte die Möglichkeiten nicht, die sie besaß. Sie erinnerte Lisa an sich selbst als Studentin, als sie noch glaubte, Intelligenz und Entschlossenheit würden ausreichen. Das war so lange her. Sie hatte wahrscheinlich dasselbe Durchsetzungsvermögen besessen, das sie in Eves Augen entdeckte. Sie hatte nicht lange gebraucht, um zu lernen, dass Durchsetzungsvermögen die Leute abschreckte. Es war besser, seine Leidenschaften hinter einem süßen Lächeln zu verbergen. Aber Eves Geschichte bewies, dass sie eine Überlebenskünstlerin war, und Lisa bewunderte Menschen mit Durchhaltevermögen. Sie selbst gehörte auch dazu, sonst hätte sie die letzten Jahre niemals durchgestanden. Mit einem traurigen Lächeln berührte sie Eves Bild. Schwestern. Die entgegengesetzten Seiten derselben Münze. Beide zäh. Schade. Sie begann, Eves Dossier zu lesen, suchte nach einer Schwachstelle, einem Punkt, an dem sie zu Fall zu bringen war. Sie hatte erst zwei Drittel des Berichts gelesen, als sie ihn fand.
    Gil und Logan saßen vor dem Fernseher, als Eve am nächsten Morgen ins Wohnzimmer kam.
    »Scheiße«, murmelte Gil. »Sie haben es dem Erdboden gleichgemacht. Ich mochte dieses alte Haus.« »Was ist passiert?«, fragte sie. »Barrett House?« Gil nickte. »Offenbar hat John billige Kabel verlegen lassen.« Das Foto auf dem Bildschirm zeigte eine rauchende Ruine, aus der nur noch zwei Kamine aufragten. »Aber es wird Sie freuen zu hören, dass er für seinen Geiz bestraft wurde«, fügte Gil hinzu. »John ist in dem Feuer umgekommen.« »Was?« »Bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Aber sie sind dabei, die Zahnbefunde und die DNA zu vergleichen. So ein anständiger Mann. Detwil hat gerade in einer Ansprache erklärt, wie sehr John in beiden Parteien geliebt und respektiert wurde. Er hat sogar behauptet, John hätte ihn fürs Wochenende ins Barrett House eingeladen, um über politische Ziele zu diskutieren.« »Warum behauptet er denn so was?« »Was weiß ich? Für mich ist das der reinste Overkill.« Er schaltete den Fernseher aus. »Ich ertrage es einfach nicht. John und ich standen uns so nahe. Wir waren wie Brüder.« Er trat an die Küchenanrichte. »Irgendjemand Lust auf Frühstück?« Eve wandte sich an Logan. »Das ist doch verrückt. Sie sind schließlich kein Unbekannter. Ob die glauben, sie können damit durchkommen?« »Zumindest eine Zeit lang. Sie werden dafür sorgen, dass die DNA und die Zahnbefunde übereinstimmen. Sie haben die Leiche nach Bethesda gebracht.« »Und was bedeutet das?« »Es bedeutet, sie haben Bethesda unter Kontrolle. Sie haben dort einen Komplizen. Er wird dafür sorgen, dass alles nach ihren Plänen verläuft. Auf diese Weise gewinnen sie Zeit.« »Und was haben Sie vor?« »Also, ich werde auf keinen Fall an die Öffentlichkeit treten und zu beweisen versuchen, dass sie die falsche Leiche haben. Ich würde nämlich nur wegen Hochstapelei in eine Sicherheitszelle gesperrt und über kurz oder lang einen mysteriösen tödlichen Unfall erleiden.« Er stand auf. »Außerdem habe ich alles Mögliche zu erledigen.« »Was glauben Sie, wer der Mann war, der bei dem Brand ums Leben kam?« Logan zuckte die Achseln. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Ein Mann war gestorben, ein Leben war weggeworfen worden. »Kaffee?«, fragte Gil. »Es gibt süße Brötchen.« Sie schüttelte den Kopf. »Können wir jetzt über Chadbourne reden?«, fragte Logan höflich. »Ich fürchte, dass die Situation allmählich eskaliert.« »Darauf können Sie sich verlassen, dass wir reden werden«, erwiderte sie. »Ich will meine Mutter in Sicherheit wissen. Ich will nicht, dass mein Haus mit ihr darin in Flammen aufgeht.« »Ich rufe Margaret an, sage ihr, dass ich immer noch unter den Lebenden weile, und bitte sie, ein sicheres Versteck für Ihre Mutter zu suchen.« »Und zwar jetzt gleich.« »Sie wird gut bewacht. Kann ich erst meinen Kaffee austrinken?« Er schaute sie über den Tassenrand hinweg an. »Werden Sie mir helfen, Eve?« »Vielleicht. Wenn ich mich darauf verlassen kann, dass Sie mich nicht im Dunkeln tappen lassen.« Sie wandte sich an Gil. »Ich

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