Das Verlorene Labyrinth
vielleicht als Einziger unter den Kreuzfahrern - felsenfest überzeugt, Gottes Werk zu tun. Er erhob für die Kirche Steuern auf Haus und Hof, führte bei der ersten Obsternte die Abgabe des Zehnten ein, wie im Norden üblich.
Die Ciutat war zwar eingenommen worden, aber die Festungen im Minervois, in der Montagne Noire und in den Pyrenäen ergaben sich nicht. Der König von Aragon, Pedro, war nicht bereit, ihn als Vasallen zu akzeptieren. Raymond VI., der Onkel von Vicomte Trencavel, zog sich nach Toulouse zurück. Die Comtes von Nevers und Saint-Pol, auch andere wie Guy d'Evreux, kehrten in den Norden zurück. Simon de Montfort besaß zwar Carcassona, aber er war isoliert.
Händler, Hausierer, Weber brachten Neuigkeiten von Belagerungen und Schlachten, gute und schlechte. Montréal, Preixan, Saverdun, Pamiers fielen, Cabaret hielt stand. Im April des Jahres 1210 nahm de Montfort nach dreimonatiger Belagerung die Stadt Bram ein. Er befahl seinen Soldaten, die besiegte Garnison zusammenzutreiben, und ließ allen die Augen ausstechen. Nur ein Mann wurde verschont, damit er die Prozession der Blinden quer durchs Land nach Cabaret führen konnte, als deutliche Warnung an alle Widerständler, dass sie keine Gnade zu erwarten hatten.
Die Grausamkeiten und Repressalien eskalierten. Im Juli 1210 belagerte de Montfort die Bergfestung Minerve. Die Stadt wird auf beiden Seiten von steilen Felsschluchten geschützt, die Flüsse in Tausenden von Jahren in die Berge geschnitten hatten. De Montfort ließ hoch über der Stadt ein riesiges trébuchet errichten, das als La Malvoisine bekannt wurde - die schlechte Nachbarin.« Er sah Alice an. »Heute steht dort ein Nachbau. Ein seltsamer Anblick. Sechs Wochen lang ließ de Montfort die Stadt beschießen. Als Minerve schließlich fiel, weigerten sich einhundertvierzig katharische parfaits, ihrem Glauben abzuschwören, und wurden auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
Im Mai 1211 nahmen die Eroberer nach einmonatiger Belagerung Lavaur ein. Die Katholiken nannten es den >wahren Sitz des Sa- tans<. In gewisser Hinsicht hatten sie Recht damit. Es war der Sitz des Katharerbischofs von Toulouse, und Hunderte von parfaits und parfaites lebten dort offen und in friedlicher Eintracht.« Baillard hob sein Glas an die Lippen und trank einen Schluck. »Fast vierhundert credentes und parfaits wurden verbrannt, darunter auch Amaury de Montréal, der die Verteidigung geleitet hatte, zusammen mit achtzig seiner Ritter. Das Gerüst brach unter ihrem Gewicht zusammen, und die Franzosen mussten ihnen die Kehlen aufschlitzen. In einem regelrechten Blutrausch tobten die Eroberer durch die Stadt und suchten nach der Herrin von Lavaur, Guirande, unter deren Schutz die Bons Homes gelebt hatten. Sie ergriffen sie und missbrauchten sie. Dann schleiften sie sie durch die Straßen wie eine gemeine Verbrecherin, stießen sie in den Brunnen und warfen Steine auf sie hinab, bis sie tot war. Vielleicht war sie aber auch vorher schon ertrunken.«
»Wussten Alaïs und Sajhë von den Gräueltaten?«, fragte Alice. »Sie hörten so einiges, aber oft erst viele Monate nach den tatsächlichen Ereignissen. Der Krieg fand noch immer überwiegend im Flachland statt. Die beiden lebten unter bescheidenen Bedingungen, aber glücklich hier in Los Seres zusammen mit Harif. Sie sammelten Holz, pökelten Fleisch für die langen dunklen Wintermonate, lernten Brot backen und wie das Dach mit Stroh gedeckt wurde, damit es vor Unwetter geschützt war.« Baillards Stimme war wehmütig geworden.
»Harif brachte Sajhë Lesen und Schreiben bei, zuerst die Langue d'Oc, dann die Sprache der Eroberer, schließlich ein wenig Arabisch und ein wenig Hebräisch.« Er schmunzelte. » Sajhë lernte äußerst ungern, arbeitete lieber körperlich als mit dem Kopf, doch mit Alaïs ' Hilfe hielt er durch.«
»Wahrscheinlich wollte er ihr etwas beweisen.«
Baillard warf Alice aus den Augenwinkeln einen Blick zu, ging aber über die Bemerkung hinweg.
»So lebten sie recht beschaulich bis zum Osterfest nach Sajhë s dreizehntem Geburtstag. Dann eröffnete Harif ihm, dass er am Hofe von Pierre-Roger de Mirepoix als Knappe seine Ausbildung zum chevalier antreten sollte.«
»Was hielt Alaïs davon?«
»Sie freute sich für ihn. Schließlich hatte er sich das immer gewünscht. In Carcassona hatte er oft zugesehen, wie die ecuyers die Schuhe und Helme ihrer Herren polierten. Er war in die lices gekrochen, um ihnen beim Lanzenstechen zuzuschauen. Das
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