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Das Verlorene Labyrinth

Das Verlorene Labyrinth

Titel: Das Verlorene Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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wegen des verlorenen Buches so zornig sind.
    Wenn sie nur sprechen könnte, dann könnte sie vielleicht verhandeln. Doch ihr Kopf ist leer, hat keine Worte mehr, und ihr Mund ist unfähig, sie zu bilden. Sie tritt um sich, will sich befreien, doch die eiserne Umklammerung an ihren Beinen ist zu stark. Sie schreit los, als sie nach unten ins Feuer gezerrt wird, doch es kommt nur Stille.
    Sie schreit wieder, spürt, wie ihre Stimme tief in ihrem Innern darum kämpft, gehört zu werden. Diesmal stürzen Geräusche auf sie zu. Alice spürt die reale Welt auf sich einstürmen. Klang, Licht, Geruch, Berührung, der metallische Geschmack von Blut in ihrem Mund. Bis sie für den Bruchteil einer Sekunde innehält, plötzlich von einer klaren Kühle umhüllt. Nicht die bekannte Kälte der Höhle, sondern etwas anderes, intensiv und leuchtend. Und darin kann Alice die flüchtigen Umrisse eines Gesichts erkennen, schön, undeutlich. Dieselbe Stimme ruft noch einmal ihren Namen.
    Alaïs .
    Ruft zum letzten Mal. Es ist die Stimme einer Freundin. Niemand, der ihr schaden will.
    Alice versucht die Augen zu öffnen, denn sie weiß, dass sie verstehen würde, wenn sie sehen könnte. Sie kann es nicht. Nicht richtig.
    Der Traum verblasst, lässt sie los.
    Zeit zum Aufwachen. Ich muss aufwachen.
    Jetzt ist eine neue Stimme in ihrem Kopf, anders als die erste. Das Gefühl kehrt in ihre Arme und Beine zurück, die aufgeschlagenen Knie brennen, und die Abschürfungen von dem Sturz tun weh. Sie spürt die Hand an der Schulter, spürt, wie sie unsanft zurück ins Leben gerüttelt wird.
    »Alice! Alice, aufwachen!«
     

Die Citè
Auf dem Berge

Kapitel 1
Carcassona
     
    JULHET 1209
     
    A laïs erwachte mit einem Ruck, setzte sich hastig auf, die Augen weit geöffnet. Angst flatterte ihr in der Brust wie ein im Netz gefangener Vogel. Sie presste die Hand auf die Rippen, um ihr pochendes Herz zu beruhigen.
    Einen Augenblick lang schlief sie weder, noch war sie wach, als wäre ein Teil von ihr im Traum zurückgelassen worden. Sie hatte das Gefühl zu schweben, aus großer Höhe auf sich selbst herabzublicken, so wie die steinernen Wasserspeier am Dach der Basilika Sant-Nasari, die den unten Vorbeigehenden Fratzen schnitten.
    Hier war sie sicher, in ihrem Bett, im Chateau Comtal. Allmählich gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit. Das Zimmer wurde schemenhaft erkennbar. Sie war in Sicherheit vor den dünnen, dunkeläugigen Menschen, die sie nachts verfolgten, mit ihren spitzen Fingern, die nach ihr griffen und an ihr zerrten. Jetzt kommen sie nicht an mich heran. Die in die Steine gemeißelte Sprache, eher Bilder als Worte, die sie nicht verstand, alles verschwand wie eine Rauchfahne in der Herbstluft. Auch das Feuer war verblasst, nur noch eine Erinnerung in ihrem Kopf. Eine Vorahnung? Oder bloß ein Albtraum?
    Sie konnte es nicht wissen. Sie hatte Angst, es zu erfahren. Alaïs griff nach den Nachtvorhängen, die das Bett umschlossen, als würde sie sich weniger durchscheinend und unkörperlich fühlen, wenn sie etwas Stoffliches berührte. Das verschlissene
    Gewebe, voll mit dem Staub und den vertrauten Gerüchen der Burg, fühlte sich beruhigend rau zwischen den Fingern an.
    Nacht für Nacht derselbe Traum. Wenn sie als Kind vor Angst im Dunkeln aufgewacht war, das Gesicht bleich und tränennass, hatte ihr Vater an ihrem Bett gesessen und über sie gewacht, als wäre sie ein Sohn. Während Kerze um Kerze bis auf den Docht herunterbrannte, erzählte er flüsternd von seinen Abenteuern im Heiligen Land, von den endlosen Wüstenmeeren, den schön geschwungenen Moscheen und dem Gebetsruf, dem die gläubigen Sarazenen folgten. Er beschwor die aromatischen Düfte, die leuchtenden Farben und die scharf gewürzten Speisen herauf, den strahlenden Glanz der blutroten Sonne, wenn sie über Jerusalem unterging.
    In all den Jahren, in jenen leeren Stunden zwischen Abend- und Morgendämmerung, während ihre Schwester schlafend neben ihr lag, hatte ihr Vater ohne Unterlass geredet, um ihre Dämonen zu verjagen. Er hatte die schwarzen Kutten der katholischen Priester mit ihren abergläubischen Bräuchen und falschen Symbolen nicht in ihre Nähe gelassen.
    Seine Worte hatten sie gerettet.
    »Guilhem?«, flüsterte sie.
    Ihr Mann schlief tief und fest, nahm mit ausgestreckten Armen den größten Teil des Bettes in Beschlag. Sein langes, dunkles Haar, das nach Rauch, Wein und Stall roch, war auf dem Kissen ausgebreitet. Mondlicht fiel durchs offene

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