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Das Verlorene Labyrinth

Das Verlorene Labyrinth

Titel: Das Verlorene Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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Wasser ab, das er am Brunnen geholt hatte.
    Alaïs lächelte. »Bonjorn.«
    »Bonjorn, Dame«, antwortete er vorsichtig.
    »Warte«, sagte sie, ging vor ihm hinunter in den Keller und hielt ihm die Tür zur Küche auf.
    »Merce«, sagte er etwas weniger schüchtern. »Grand merce.«
    In der Küche herrschte hektische Betriebsamkeit. Große Dampfschwaden stiegen bereits von dem riesigen Kessel auf, der an einem Haken über dem offenen Feuer hing. Ein älterer Diener nahm dem Küchenjungen das Wasser ab, schüttete es in einen Topf und reichte ihm das Fass erneut, ohne ein Wort zu sagen. Der Junge verdrehte die Augen in Alaïs ' Richtung, als er sich ein weiteres Mal auf den Weg zum Brunnen machte.
    Kapaune, Linsen und Kohl in fest verschlossenen Tonkrügen warteten auf dem großen Tisch in der Mitte darauf, verarbeitet zu werden. Daneben standen Töpfe mit Salzheringen, Aal und Hecht. An einem Ende häuften sich fogaga -Pasteten in Stoffbeuteln, Gänsepasteten und dicke Scheiben gepökeltes Schweinefleisch. Am anderen standen große Schalen mit Rosinen, Quitten, Feigen und Kirschen. Ein Junge von etwa neun oder zehn Jahren hatte die Ellbogen auf den Tisch gestützt, und seine finstere Miene ließ unschwer erkennen, wie sehr er sich auf einen weiteren heißen und schweißtreibenden Tag am Bratspieß freute, wo er zusehen konnte, wie das Fleisch knusprig wurde. Neben dem Herd brannte das Kleinholz in dem kuppelförmigen Brotofen lichterloh, und der erste Schub pan de blat, Weizenbrot, lag schon zum Auskühlen auf dem Tisch. Der Duft machte Alaïs hungrig.
    »Kann ich mir eins davon nehmen?«
    Der Koch blickte auf, erbost, weil eine Frau in seine Küche eingedrungen war. Dann sah er, wer es war, und sein übellauniges Gesicht verzog sich zu einem schiefen Lächeln, das eine Reihe fauliger Zähne zum Vorschein brachte.
    »Dame Alaïs «, sagte er erfreut und wischte sich die Hände an seiner Schürze ab. »Benvenguda. Welche Ehre! Ihr habt uns schon eine Weile nicht mehr besucht. Wir haben Euch vermisst.« »Jacques«, sagte sie herzlich. »Ich wollte dich nicht stören.« »Mich stören, Ihr!« Er lachte. Als Kind war Alaïs oft in der Küche gewesen, hatte zugeschaut und gelernt. Sie war das einzige Mädchen, dem Jacques je erlaubt hatte, die Schwelle zu seinem ausschließlich männlichen Reich zu überqueren. »Nun sagt, Dame Alaïs , was kann ich Euch geben?«
    »Nur ein bisschen Brot, Jacques, und etwas Wein, wenn du welchen erübrigen kannst.«
    Auf dem runzeligen Gesicht des Alten erschien ein bekümmerter Ausdruck. Alaïs lächelte unschuldig.
    »Verzeiht, aber Ihr wollt doch nicht etwa hinunter zum Fluss? Doch nicht um diese Tageszeit und ohne Begleitung? Eine Frau Eures Standes ... Es ist ja noch nicht einmal hell. Man hört so einiges, Geschichten über ...«
    Alaïs legte ihm eine Hand auf den Arm. »Es ist lieb, dass du dich sorgst, Jacques, und ich weiß, du willst nur mein Bestes, aber mir wird bestimmt nichts passieren. Ich gebe dir mein Wort. Es wird schon bald Tag. Ich kenne mich draußen gut aus. Ich bin wieder zurück, bevor überhaupt jemand merkt, dass ich fort war. Ehrlich.«
    »Weiß Euer Vater Bescheid?«
    Alaïs legte verschwörerisch einen Finger an die Lippen. »Du weißt genau, dass er nichts weiß«, entgegnete sie. »Aber bitte verrate ihm nichts, Jacques. Das soll unser Geheimnis bleiben. Ich verspreche, ich passe gut auf.«
    Jacques schien zwar längst nicht überzeugt, aber da er alles gesagt hatte, was er sich erlauben konnte zu sagen, erhob er keine weiteren Einwände. Er ging langsam zu dem Tisch hinüber, wickelte einen Laib Brot in ein weißes Leinentuch und befahl einem Küchenjungen, einen Krug Wein zu holen. Alaïs beobachtete ihn und spürte einen leisen Stich im Herzen. In letzter Zeit bewegte er sich zusehends langsamer, und er humpelte stark auf dem linken Bein.
    »Hast du immer noch Schmerzen?«
    »Es geht«, log er.
    »Ich kann dir das Bein später neu verbinden, wenn du willst. Die Wunde verheilt anscheinend nicht so gut.«
    »So schlimm ist es gar nicht.«
    »Hast du die Salbe benutzt, die ich für dich zubereitet habe?«, fragte sie und sah ihm am Gesicht an, dass dem nicht so war. Jacques hob kapitulierend die dicklichen Hände. »Ich hab einfach zu viel Arbeit - die vielen zusätzlichen Gäste. Es sind Hunderte, wenn man die Diener, ecuyers, Reitknechte, Hofdamen mitzählt, von den Consuln und ihren Familien gar nicht zu reden. Und an viele Sachen kommt man heutzutage

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