Das verlorene Regiment 02 - Jenseits der Zeit
nichts weiter erinnern als das entsetzliche Gefühl von Verhängnis und die Furcht, das alles verloren war.
Das kam ihm wie ein Bild aus einer anderen Welt vor, da heute der ständige Albtraum nicht mehr wie ein Schleier über ihm hing. Ein Lächeln legte sein Gesicht in Falten, als er vom Wagen zurücktrat und nach oben blickte.
Auf dem Wagen und an seinem vorderen Ende ragten vier geschnitzte und bemalte Figuren auf, drei davon Unionssoldaten, einer mit der amerikanischen Flagge, die anderen beiden mit den Standarten der 35. Freiwilligen Infanterie von Maine und der 44. Leichten Artillerie von New York. Die vierte Gestalt in der Mitte der Gruppe war im schlichten weißen Kasack und den Kreuzbandleggings der Rus-Infanterie abgebildet und hielt die Flagge der Rus-Republik hoch, ein blaues Banner mit einem Kreis aus zehn weißen Sternen in der Mitte, die für die zehn Städte der Rus standen.
Die übrigen Wagen des Zugs zeigten diverse Rus-Regimenter im Einsatz: die zum Untergang verurteilte Stellung des Fünften Suzdalischen und der Vierten Nowroder Batterie auf dem Pass; das Erste Suzdalische, wie es die Furt hielt, sowie die Tapferkeit des Siebzehnten Suzdalischen, als es die Südostbastion bis zum letzten Mann verteidigte. Der vorletzte Wagen gehörte zu Andrews Favoriten, zeigte er doch Vincent Hawthorne vor dem Hintergrund seines abgestürzten Ballons, wie er den Winadamm hochjagte und sie alle damit rettete, als die Flut das tugarische Heer auslöschte.
Den letzten Wagen zierte eine Darstellung, die Andrew an Stuarts berühmtes Gemälde von der Unterzeichnung der Unabhängigkeitserklärung erinnerte; die Schnitzerei zeigte die offizielle Unterzeichnung der Verfassung für die Rus-Republik. Dieser Wagen diente heute dem Präsidenten, und Andrew lächelte, während er ihn betrachtete, und fragte sich, wie es dem äußerst illlustren Fahrgast nach der holpernden und schwankenden Fahrt ging.
»Achthundertzweiundzwanzig Kilometer geschafft und nur noch vierundreißigtausendfünfzehn vor uns«, sagte Hans wie zu sich selbst, als er zu Andrew trat.
»Die ersten achthundert waren schon mehr als genug für mich, Sergeant.«
Andrew blickte auf und sah Emil Weiss, den Regimentsarzt, der gerade aus dem Zug stieg und seine Kleidung abstaubte. Begleitet wurde er von General Pat O’Donald, dem Befehlshaber der alten 44. New Yorker Artillerie. O’Donald, dessen rotbärtiges Gesicht glühte, stolperte leicht, und man konnte sehen, dass es keine Nachwirkung der schwankenden Zugfahrt war.
»Unser lieber Präsident hat wirklich einen Tick mit dieser Vorherbestimmung und dem transkontinentalen Eisenbahnprojekt«, sagte Emil lachend. »Die meiste Zeit des Tages wollte er über nichts anderes reden.«
»Und wie geht es unserem lieben Präsidenten?«, erkundigte sich Andrew kopfschüttelnd.
»Ihm ist nur schlecht, wie üblich. Gönnen Sie ihm noch ein paar Minuten, und er müsste wieder fit sein.«
»War wirklich ein bisschen hart«, murmelte Hans. Andrew sah ihn an und stellte fest, dass der Sergeant immer noch leicht grün im Gesicht war, wie er selbst auch.
Ferguson hatte am Fahrthebel gestanden, seit sie gestern Abend in Suzdal losgefahren waren, hatte den Dampfdruck am oberen Limit gehalten, eine Geschwindigkeit von gut fünfundsechzig Stundenkilometern angeschlagen und nur gestoppt, um Wasser und Holz aufzunehmen. Obwohl die neuen Fahrgastwagen gefedert waren, war die Fahrt eine rumpelnde und unstete Angelegenheit gewesen. Andrew wich vom Zug zurück, als die Lokomotive zischend Dampf abließ, und betrachtete ihn anerkennend.
Im Frühling nach dem Krieg genehmigte der neue Senat die transkontinentale Eisenbahn, ein Projekt, für das sich alle Mitarbeiter der Eisenwerke stark gemacht hatten. Natürlich genoss der Wiederaufbau nach dem Tugarenkrieg Priorität, und so war der vergrößerte Neubau der durch die Flut aus dem gesprengten Damm zerstörten Eisenwerke erst im Frühsommer abgeschlossen gewesen. Und erst damit stand ein Stahlüberschuss zur Verfügung, der über den Bedarf an neuen Werkzeugen, militärischen Ausrüstungsgegenständen und landwirtschaftlichen Gerätschaften hinausging.
Die Arbeit nahm schier kein Ende, die mit dem Wiederaufbau von Suzdal und des gesamten Rusreiches einherging, zusammen mit der Etablierung einer neuen Republik. Andrew erkannte jedoch, dass die Eisenbahnlinie dazu beitrug, einen Traum von Erforschung, Handel und Expansion zu schaffen. Jede Gesellschaft brauchte eine Grenze,
Weitere Kostenlose Bücher