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Das verlorene Regiment 02 - Jenseits der Zeit

Das verlorene Regiment 02 - Jenseits der Zeit

Titel: Das verlorene Regiment 02 - Jenseits der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William R. Forstchen
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die Kapelle »The Battle Hymn of the Republic« anstimmte, und mit gehemmtem Lächeln nahm Kal für die neue Nationalhymne Haltung an.
    Die Musik fand ein Ende; Kal entspannte sich, streckte die linke Hand aus und trat vor, um Vincent zu umarmen, wobei er ihn laut auf beide Wangen küsste. Vincent konnte sich nicht lockern und nahm die Umarmung steif hin.
    »Komm schon! Kann mein Schwiegersohn seinen Vater nicht drücken?«
    »Vater«, flüsterte Vincent, »das hier ist eine diplomatische Zeremonie!«
    »Ich weiß, ich weiß, und die Maus muss wie ein Löwe aussehen«, gluckste Kal.
    »Herr Präsident, der Junge hat Recht, wissen Sie?«, flüsterte Andrew. »Unsere Freunde jenseits der Grenze sind etwas stoischer als wir.«
    »Also in Ordnung«, sagte Kal und zeigte eine Miene gespielter Ernsthaftigkeit. »Fangen wir an.«
    Vincent wich zurück und zog schwungvoll den Säbel.
    »Regiment, präsentiert das Gewehr!«
    Wie ein Mann rissen die kampfgehärteten Soldaten ihre Musketen hoch.
    »Hier entlang, Herr Präsident«, verkündete Vincent und machte sich daran, die einhundert Meter lange Formation abzuschreiten, den Schwiegervater an seiner Seite, während Andrew und die übrige Delegation hinter ihnen einfielen.
    Kal betrachtete das Regiment prüfend und nickte, und die Männer in den Reihen grinsten ihn an.
    »Ah, Alexi Andrejewitsch, deine Frau sendet dir ihre Grüße!«, rief Kal und blieb vor einem graubärtigen Soldaten stehen.
    »Wirklich?«, fragte Alexi ungläubig, und ein leises Lachen lief durch die Formation. Vincent, der hinter Kal stand, zeigte dazu einen Ausdruck kalter Wut, und das Lachen erstarb augenblicklich.
    »Ich musste ihr versprechen, dir auszurichten, dass sie dir verzeiht, aber falls sie dich noch einmal in Tetjanas Gesellschaft sieht, schneidet sie euch beiden das Herz heraus.«
    Die Männer platzten erneut los, konnten einfach nicht an sich halten.
    Kal trat näher an Alexi heran und legte ihm väterlich die Hand auf die Schulter.
    »Sie ist eine gute Frau und die Mutter deiner Kinder, Alexi«, flüsterte er. »Wir beide wissen das. Von Rechts wegen müsste sie für immer die Tür vor dir verschließen. Wenn du wieder zu Hause bist, beichte Vater Casmar deine Sünden, mache deinen Frieden mit ihr und bitte Kesus mit einer Kerze um Vergebung. Versprich mir das, alter Freund – ich möchte Frieden in deiner Familie sehen.«
    Alexi wurde rot und ließ beschämt den Kopf hängen.
    »Guter Mann. Ich wollte dich hier nicht in Verlegenheit bringen, aber du musstest das erfahren. Vergib mir.«
    »Da gibt es nichts zu vergeben«, flüsterte Alexi.
    »Also gut«, sagte Kal sanft und wich zurück, während die Männer, die das Gespräch mitgehört hatten, einander mit Beifall und Zuneigung für den alten Freund zunickten, der nicht zu einem hochmütigen Bojaren geworden war.
    Andrew lächelte insgeheim. Das hatte vielleicht nicht zum Anlass gepasst, aber mit solchen Gesten blieb Kal dem Volk verbunden, dem er diente.
    »Sollen wir weitermachen?«, fragte Vincent steif.
    »Natürlich, mein Sohn; wir dürfen sie nicht warten lassen.«
    Kal schritt die Linie weiter ab, vorbei an der noch dampfenden Lokomotive. Knapp fünfzig Meter vor dieser endete die Schienenstrecke, das östliche Ende der MFL & S-Eisenbahn, markiert durch die Flagge der Rus. Direkt dahinter nahm die Gleisbettung jedoch schon ihren Fortgang und lief über eine hohe Bockbrücke, die sich fast hundertsiebzig Meter weit über den Sangrosfluss spannte – die westliche Grenze der kultivierten Gebiete der Roum. Als Andrew den Blick über den Fluss richtete, sah er die niedrigen Mauern der Grenzstadt und die bewässerten Felder dahinter, durchzogen von der Doppellinie der Appiastraße und die Gleisbettung der Eisenbahn direkt daneben. So führten beide Strecken durch die niedrigen, sanft ansteigenden Hügel nach Südosten, bis zur Hauptstadt der Roum in hundertzehn Kilometern Entfernung.
    Das Westufer des Flusses war übersät von riesigen Mengen an Gerätschaften, wie sie typisch waren für den Schienenbau: Stapel frisch geschnittener Langschwellen und Koppelbalken, die noch Teer absonderten, Stapel voller glänzender Schienenstücke, die vor gerade mal drei Tagen die Gießerei in Rus verlassen hatten, Fässer mit Bolzen, Halterungen für die Schienen, Nebengleise mit Schlaf- und Küchenwagen, Kranwagen, Flachbettwagen und sogar einer der neuen dampfbetriebenen Landlokomotiven, die für Erdarbeiten benutzt wurden. Die Wagen waren dicht

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