Das Vermaechtnis
entfernten Baum der Erkenntnis , zu Lucifer gereist und sitzt nun am Fuße des Baumes und lehnt an seinen Stamm.
Ein Mal im Monat reist dort jeder Tempelschüler hin. Fragen tauchen immer auf, von ganz allein. Es ist wichtig, dass sie allein reisen, und wenn einmal doch mehrere zum gleichen Zeitpunkt dorthin wollen, dann geschieht dies in absolutem Schweigen. Jeder konzentriert sich auf sich und auf Lucifer .
Burgon hat seit seiner langen sehr schwierigen Phase mit seinem Vater, der gleichzeitig sein Lehrer war, immer wieder aufkommende Fragen bezüglich des Sinns dieser schwierigen Zeit. Während dieser Zeit hatte er diesen Baum nicht ein einziges Mal besucht. Zudem fragt er sich, warum nicht sein Vater ihn hierhin geschickt hatte, gerade weil es solch eine schwierige Zeit gewesen war.
Er hatte ihm sogar davon abgeraten! Wie soll er das nur verstehen? Dort zu sitzen, Fragen zu stellen und in tiefer Meditation offen für Erkenntnisse zu sein, das hätte ihm, ja, ihnen beiden, doch so viel helfen können!
Er hat verstanden, dass er mit seinen sehr starken Fähigkeiten in einem unpassenden Moment auch sehr viel Schaden hätte anrichten können. Er hat verstanden, dass, wenn Gefühle das Handeln beherrschen, es sehr leicht sein kann, dass man gerade die magischen Fähigkeiten sehr schnell missbrauchen kann. Aber dies kann auch bei allen anderen Berufungen sein, die mit Menschen zu tun haben, vor allem Berufungen zum Heilen. Wie steht es um das Wissen der Wirkungsweisen von Kräutern, zudem, wenn man sie selbst zubereitet? Wie steht es um den Einsatz der Stimme, Farben, Musik, ja, gar der Kristalle, wie hochsensibel ist all dieses Wissen?
Doch er ist der Einzige von seinen Freunden, der die Schattenseite erfahren hat, oder soll er sagen: durfte?
Die anderen sind absolut und ohne Zweifel beseelt, etwas Gutes zu tun, aus reinem Herzen. Er jedoch, er hat die Erfahrung mit seinem Vater, der aus weiser Voraussicht oder gar aus Angst oder, was er noch viel schwieriger zu verstehen findet, aus Neid gehandelt hatte. Vielleicht wollte er ihn davor bewahren, seine Macht, da er noch klein war, ungeahnt zu missbrauchen. Oder fühlte er sich seinem Sohn nicht gewachsen, konnte ihn nicht einschätzen, da es eine derartige Kraft in einer Person bislang noch nie gegeben hat? Oder, diesen Gedanken hat er immer und immer versucht zu verdrängen, er konnte es nicht ertragen, dass sein Sohn schon von klein an über stärkere Fähigkeiten verfügte als er selbst, welche er sich mühsam angeeignet hatte und längst noch nicht perfekt waren.
Und genau das ist es, was ihn heute zu dem Baum der Erkenntnis führt. Wie soll er damit umgehen, dass es dunkle Seiten seines Vaters waren, die ihn an seine eigenen Grenzen gebracht haben. Er weiß nur, dass er ihm auch sehr dankbar für die innere Demut ist, die er so erlangt hat, denn so weiß er, dass er stets reinen Herzens handeln wird. Während er so nachdenkt, spürt er bereits, wie er auf dem Weg des Verzeihens geführt wird, dem Weg, der ihm helfen wird, über diese Phase seines Lebens nicht mehr grübeln zu müssen, sondern sie zu nehmen, wie sie ist. Er redet mit seinem Vater nicht viel über seinen Unterricht. Er spürt nun, da sein Gemüt sich besänftigt, dass er bald seinem Vater die innere Hand reichen können und das Eis zum Schmelzen bringen wird, das sich seither ein wenig aufgebaut hat.
Er weiß nun auch, wie dankbar er seinen Freunden ist, die ihn unterstützt haben, die für ihn da waren und sind. Die an ihn glauben, sodass er zu seinem eigenen Glauben zurückfinden konnte. Er kann diese Freundschaften nun von tiefster Seele schätzen lernen. Insbesondere Aleyna ist er dankbar, die seinen inneren Kampf bemerkte, fühlte, und die ihm einfühlsam zur Seite steht. Und da ist noch etwas, das über Dank und Freundschaft hinausgeht: Eine tiefe menschliche Verbundenheit, Liebe. Aleyna hat ihn in dem Moment gehalten, da er fallen wollte. Immer hat er ihre liebevollen, kraftgebenden Blicke vor sich, wenn er nicht weiter weiß – ja, das ist Liebe. Er lächelt. Der Baum zeigt seine Wirkung.
Das Hauptessen und auch gleichzeitig das gemeinsame Essen mit der Familie ist, wenn es nicht etwas zum Feiern gibt, zum frühen Abend, genau so, dass die Sonnenuntergangszeremonie in Ruhe danach abgehalten werden kann. Zu dieser Zeit gehen jetzt alle Novizen nach Hause, helfen mit, wenn es noch ein paar Handgriffe zu erledigen gibt. Die Ausbildung der Novizen hört auch zu Hause nicht auf.
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