Das Vermaechtnis
war Ashley gleich nach den Ereignissen im letzten Herbst zu Sean nach Schottland gezogen, während ich vor wenigen Wochen erst noch meinen Schulabschluss gemacht hatte. Und so sehr ich mich in den vergangenen Monaten auch darauf gefreut hatte, endlich mein Leben mit Payton zu teilen, musste ich nun doch zugeben, dass ich froh war, nach dem schmerzhaften Abschied von meinen Eltern wenigstens Ashley weiterhin um mich zu haben. Zwar hatten wir eine ganze Zeit gebraucht, um miteinander auszukommen, aber unsere Liebe zu dem schottischen Brüderpaar ließ uns zu Freundinnen werden.
Ashley, die – abgesehen von den Beteiligten – als Einzige wusste, was sich im letzten Herbst zutrug, hatte durch ihr Schweigen mein Vertrauen gewonnen. Nur sie ahnte, was in mir vorging.
Sie drückte mir den Kaffee in die Hand, als ich an ihr vorbei zu meinem Platz auf dem Sofa ging. Ich zog meine Füße unter mein langes Schlabbershirt und genoss den heißen Wachmacher. Wenn ich mich hier so umsah, konnte ich mir nicht vorstellen, jemals fertig zu werden, aber die Männer waren schon dabei, Pläne zu machen.
„Wir beide streichen die Küche und versuchen, die Geräte anzuschließen“, teilte Payton sich und Sean ein, der sogleich abwehrend die Hände hob.
„Du weißt, dass wir nicht mehr unsterblich sind, oder?“
Payton hob die Augenbraue und schien amüsiert.
„Als wir uns auf die Jagd nach Viehdieben gemacht haben, waren wir das auch nicht, dennoch warst du der Erste, der sein Pferd ins Grenzland trieb.“
„Das war vor Jahrhunderten!“
„Heißt es nicht, die Zeit macht aus Kindern Männer? – In deinem Fall aber wohl eher eine Memme.“
Ich schüttelte belustigt den Kopf. Immer das gleiche Spiel, wenn man die beiden zusammen in einen Raum ließ.
„Jungs!“, rief ich. „Schlagt euch die Köpfe ein, nachdem ihr meine Küche funktionsfähig gemacht habt! Ashley und ich fangen hier und im Schlafzimmer an, die Kisten auszuräumen. Und zuerst suchen wir alle die Schachtel mit den Socken, denn sonst muss ich hier sitzen bleiben.“
Zögerlich – und nicht ohne unwilliges Murren – machten wir uns an die Arbeit. Noch während ich die ersten Kartons öffnete, hörten wir aus der Küche schon gälische Schimpftriaden. Ashley kicherte und warf mir ein Paar Socken zu.
„Hier! Wohin mit dem Rest?“
Ich deutete auf die Kommode zu meiner Linken und begann damit, Paytons Hosen in den Schrank zu hängen. Eine Weile arbeiteten wir schweigend und tranken dabei unseren Kaffee, aber schließlich strich ich mir die Haare aus dem Gesicht und ließ mich aufs Bett fallen.
„Hast du eigentlich mal nachgesehen?“, fragte ich nebenbei, und Ashley hielt in der Bewegung inne. Sie ließ den Arm mit den T-Shirts sinken und drehte sich zu mir um. Ihr Blick war verschlossen.
„Sam, ich …“, resigniert setzte sie sich neben mich. „Willst du nicht irgendwann damit aufhören?“
Ich bemerkte die Besorgnis in ihrer Stimme.
„Hast du?“, überging ich ihre Frage.
Ashley nickte.
„Ich habe nichts gefunden, Sam. Du weißt selbst, dass mehr als die Hälfte aller Bücher oder Schriften in Burg Burragh in Gälisch verfasst sind. Und was du zu finden hoffst, Sam …“ Sie schüttelte den Kopf. „… das gibt es nicht.“
Beruhigend fasste sie nach meiner Hand, die ich am liebsten zurückgerissen hätte. Ich brauchte keine Belehrung, sondern ein Scheiß Wunder!
„Sam, was geschehen ist, kannst du nicht ändern!“
„Ich muss aber! Es bringt mich um, Ashley!“
Sie schwieg, während ich mit meinen Tränen rang. „Du verstehst das nicht! Immer, wenn ich Payton ansehe, reißt diese Wunde erneut auf. Ich fühle mich so schuldig … manchmal wünschte ich, Nathaira hätte mich damals am Motel umgebracht. Dann wäre das alles nie passiert!“
„Das ist doch der totale Scheiß! Was war zuerst? Das Huhn oder das Ei? Stelle dich deinem Schicksal – waren das nicht die Worte der Hexe?“, rief Ashley, ehe sie ruhiger weitersprach. „Es war Schicksal, Sam!“
„Es war nicht Kyles Schicksal, für meine Sache zu sterben!“, widersprach ich wütend.
„Und trotzdem gibt es keinen Zauber, der ihn wieder lebendig oder es dir leichter macht, mit alldem klarzukommen. Du hast doch Payton, er liebt dich, und ihr seid glücklich! Ist das nicht genug?“
Nein, es war nicht genug, aber das würde Ashley wohl ohnehin nie verstehen. Es war, als läge nun ein schrecklicher Fluch auf mir.
„Sam, du kannst mir nicht helfen. Ich brauche deine
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