Das Vermaechtnis
bereits gestorben.
„Meine Hochzeitsnacht geht dich zwar nichts an, aber, als ich vorhin aus Blairs Bett gestiegen bin, hatte er keinen Grund, sich zu beklagen. Er ist übrigens in Liebesdingen nicht so ein Stümper wie du.“
Triumphierend hielt sie ihm die Wange hin, genoss seinen Schlag, den sie hatte kommen sehen, noch ehe sie zu Ende gesprochen hatte. Der Schmerz würde vergehen, würde verblassen und ihr zeigen, dass es ein Leben gab – jenseits von Schmerz.
Durch einen Tränenschleier sah sie ihre Liebe in der Dunkelheit davongehen und betete, dass es so etwas wie ein Leben ohne Schmerz für sie geben würde. Ohne Gefühle – wie leicht ließe es sich da leben.
Nathaira öffnete die Augen. Sie schüttelte den Kopf, um die Erinnerung zu vertreiben. Um die Wahrheit zu leugnen.
„ Màthair! “
Sie strich der Toten über die Wange, wischte das weiße Haar beiseite und küsste die blutigen Lippen ihrer Mutter. Vanora hatte sie geliebt. Sie hatte ihren Wunsch erhört und ihr ein unermessliches Geschenk gemacht.
Nathaira hatte die Wahrheit gekannt, die Kraft der Hexe in sich gefühlt und Teile ihres späteren Lebens in Visionen vorhergesehen. Den heutigen Tag jedoch nicht.
Das Geräusch eines näherkommenden Pferdes ließ Nathaira auffahren. Noch immer klaffte der Riss in ihrem moosgrünen Mieder, und die Röcke, die sie sich für den Kampf eingeschnitten hatte, klebten feucht an ihren Schenkeln. Der Wind blies ihr das lange schwarze Haar aus dem Gesicht und trug ihr die Stimme des Mannes ans Ohr, der ihr Leben war. Der Mann ihrer Visionen, der Mann, der sie zugleich hasste und liebte, ihren Tod betrauern und in blutiger Rache sein Schwert führen würde.
Seine kräftige Silhouette zeichnete sich gegen die Hügel des Hochlands ab, und Nathaira warf einen letzten Blick auf den Leib ihrer Mutter.
„Bist du hier, um deinen Triumph zu feiern, Liebste ?“, fragte Alasdair mit kaum verhohlener Bitterkeit.
„Gut geraten, Wikinger! Ich bin zurückgekommen, um meinen Dolch zu holen, aber er ist weg“, erklärte Nathaira, ohne Alasdair besondere Aufmerksamkeit zu schenken. „Was willst du hier? Leichen fleddern, wie es deine Ahnen taten? Morden und brandschatzen?“, reizte sie ihn.
„Schweig, Weib! Cathal schickt mich, nach dir zu sehen – und tun wir nicht alle … immer …, was dein Bruder sagt … Egal, was es uns kostet?“
Nathaira lächelte. Sie war die Tochter der Hexe und verstand als Einzige das unendliche Spiel des Lebens, weil sie Dinge gesehen hatte, die ihnen allen erst noch bevorstanden. Als stünden weder Hass noch Verrat zwischen ihr und dem Krieger, ging sie zu ihm und legte ihm ihre Hände auf die Brust.
„Du bist nicht sein Werkzeug, Alasdair …“, hauchte sie ihm ins Ohr, „… du bist meines .“ Sie küsste ihn, ließ ihre Zunge tief in seinen Mund gleiten. Sie spürte, wie er die Muskeln anspannte, sein Puls sich beschleunigte. Nathaira rechnete damit, er würde sie von sich stoßen, aber das tat er nicht.
„Vertrau mir, Wikinger … der Schmerz wird uns genommen …“, sie legte ihre Hand auf sein Herz und drückte ihre Stirn gegen seine, „… und unsere Zeit wird kommen. Wir werden wieder vereint sein. Sieh selbst!“
Als Nathaira ihn ansah, konnte er in ihren Augen einen Blick in die Zukunft werfen. Wie im Moment des Todes rasten die Bilder seines Lebens an ihm vorbei. Bild um Bild, Hölle und Verdammnis, Kälte und Einsamkeit und dann …
Er stieß sie hart von sich, sodass sie taumelte und zu Boden stürzte. Ihr triumphierendes Lachen hallte über die Hochebene, als Alasdair ihr bereits den Rücken zuwandte und auf sein Pferd stieg. Von oben sah er auf sie hinab.
„Du denkst, du kennst unser aller Schicksal?“, schrie er. „Du irrst dich, Nathaira! Ich erhebe nicht noch einmal mein Schwert für eine Frau. Für uns, Liebste , wird es bis in alle Ewigkeit kein Glück mehr geben.“
Nathaira blickte ihm nach, doch, was sie sah, war nicht der Krieger, sondern das Bild, welches sie Alasdair offenbart hatte.
Kapitel 1
Edinburgh, heute
Das Taxi bog um die Ecke, und ich wischte mir verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel, während ich langsam aufhörte zu winken. Es war schwerer, als ich erwartet hatte, meine Eltern davonfahren zu sehen.
Payton legte mir seinen Arm um die Taille und zog mich an seine Seite.
„ Mo luaidh , ist alles in Ordnung mit dir?“
Ich nickte. Was hätte ich auch sagen sollen? Dies war nicht der richtige Moment für
Weitere Kostenlose Bücher