Das Vermächtnis der Montignacs
sind wir einer Meinung?«, fragte Thomas Handel und zielte mit dem Queue auf eine Kugel. »Der Mann darf tun, was ihm beliebt?«
Alexander schnaubte. »Ich glaube nicht, dass wir einer Meinung sind. Sie finden, es geht nur ihn etwas an, aber ich tue das nicht. SchlieÃlich gibt es noch so etwas wie Pflicht.«
»Freut mich zu hören«, sagte ein älterer Mann und stützte sich auf sein Queue. »Der GroÃteil von euch jungen Leuten glaubt doch gar nicht mehr daran. Ihr denkt, ihr könnt tun und lassen, was ihr wollt, und auf die Folgen wird gepfiffen. Aber die Pflicht ist genau das, worum sich alles dreht. In dem Punkt bin ich Ihrer Meinung, Sir.«
»Es wird ohnehin nichts dabei herauskommen«, sagte Thomas. »Sie werden sehen, dass ich recht behalte. Vor ein, zwei Jahren gab es schon mal eine Frau. Wie hieà sie noch gleich?«
»Früher haben wir an die Pflicht geglaubt«, sagte der Ãltere und verlor sich in Gedanken und verschwommenen Erinnerungen.
»Diese Frau war eine Eintagsfliege. Doch wenn man seinerzeit nach den Klatschspalten ging, konnte man jeden Augenblick mit einer Verlobung rechnen.«
»Wenn man mich fragt«, warf der älteste Mann im Raum dröhnend ein, ein ehemaliger Innenminister, dessen Stimme mehr Gewicht als die der anderen Anwesenden hatte, sodass diese jetzt verstummten. Selbst der Spieler, der sich zum Anstoà bereit gemacht hatte, verharrte und wartete auf die kommende Perle der Weisheit. »Der ganze Kram ist doch nur ein Haufen Unfug, den sich Burschen wie Beaverbrook zum allgemeinen Ergötzen ausgedacht haben. Er soll einfach das tun, was seine Vorfahren schon seit ewigen Zeiten getan haben, nämlich heiraten und sich eine Geliebte nehmen, wie jeder andere ordentliche Mann auch. Eine ehrbare, handfeste Hure.«
»Als Schönheit kann man sie ja nicht gerade bezeichnen, oder, Sir?«, fragte Alexander, dessen Mundwinkel der Hauch eines Lächelns umspielte.
»Wie ich gehört habe«, entgegnete der Alte ernst, »soll Liebe blind machen.« Doch dann hob er eine Braue, zum Zeichen, dass er seinen Ausspruch für humorvoll hielt, einer, der ihn überleben und eines Tages bei seiner eigenen Beerdigung wiederholt werden könnte. »Falls das zutrifft, muss man wohl annehmen, dass der König eine Brille braucht.«
»Eine Eintagsfliege«, wiederholte einer der Jüngeren, schüttelte den Kopf und lachte. »Das gefällt mir.«
»Das wird auch jetzt wieder passieren, verlassen Sie sich darauf. Nächste Woche wird es das nächste Flittchen geben. Die Frau eines anderen, die Tochter eines anderen oder wieder eine Geschiedene.«
»Wo bleibt das verfluchte Mädchen mit dem verdammten Brandy?«, wollte der frühere Innenminister wissen, dessen Alkoholpegel gefährlich zu sinken begann.
»Hier bin ich«, sagte das verfluchte Mädchen, eine gerade mal Neunzehnjährige, die mit dem verdammten Tablett die ganze Zeit neben ihm gestanden hatte.
Sir Denis Tandy war allein in der Bibliothek und fuhr mit den Fingern anerkennend an den Rücken der in Leder gebundenen Bände des Gesamtwerks von Dickens entlang. Im Raum herrschte eine bemerkenswerte Ordnung. Die Regale an den Wänden waren aus Mahagoni, jedes mit einem Dutzend Reihen und einer Leiter versehen, die oben an einer Schiene hing, sodass der eifrige Leser auf der Suche nach Wissen und Unterhaltung über sich hinauswachsen konnte. Die Bücher waren sämtlich in Kategorien unterteilt, die Geschichte Londons an der Wand zur Linken beanspruchte für sich allein nahezu sechs Reihen. Inmitten des Raumes stand ein schwerer Lesetisch aus Eiche mit Lampen an den Seiten. In dem Fach darunter befanden sich gebundene Folianten, die Karten enthielten, einige mit Hinweisen auf die zahlreichen Grundstücke, mitunter ganze StraÃenzüge, die sich im Besitz der Familie Montignac befanden. Ein so ungeheurer Wert, dass man das jährliche Einkommen daraus nur mit Mühe genauer beziffern konnte.
Sir Denis hatte Peter fast vierzig Jahre lang gekannt. Aus seiner Rolle als Anwalt war allmählich die eines engen Freundes geworden, in Peters mittleren Jahren dann die eines Vertrauten. In den letzten Jahren, als der alte Mann mutlos und verdrieÃlich geworden war, hatte Tandy wieder die Position eines Sachwalters und Angestellten eingenommen. Schuld daran war der Tod von Andrew, Peters einzigem Sohn. Selbst
Weitere Kostenlose Bücher