Das Vermächtnis der Montignacs
stirnrunzelnd fest. »Darüber muss ich mit Nell reden. Rühreier haben etwas von den Zwanzigerjahren, findest du nicht? Aber aus irgendeinem unerklärlichen Grund weigert sie sich, die Eier zu pochieren.«
»Ich fürchte, was die Eiermode betrifft, bin ich nicht auf dem Laufenden.« Roderick lieà sich in dem Sessel am Fenster nieder. Seine Frau butterte eine Scheibe Toast.
»Du hättest eine zweite Tasse mitbringen sollen«, sagte sie und schenkte sich Tee ein. »Der Tee in der Kanne reicht für zwei.«
»Ich möchte nichts mehr«, entgegnete er mit einer abwehrenden Kopfbewegung. »Um fünf Uhr bin ich aufgestanden, und seitdem habe ich fortwährend dieses Zeug getrunken. Jetzt ist Schluss. Ich will mich im Gerichtssaal nicht ständig entschuldigen müssen.«
»Um fünf?« Jane wandte sich zu ihm um und sah ihn verwundert an. »Warum, um alles in der Welt â?«
»Ich konnte nicht schlafen. Wenn der Tag heute vorbei ist, geht es mir wieder besser.«
»Du siehst müde aus«, bemerkte Jane nach einer Pause. Ãber ihr Gesicht flog ein angemessener Ausdruck des Mitgefühls. »Armer Roderick. Es hat dich tatsächlich angegriffen, nicht wahr?«
Die gedämpften Laute eines Tumults waren von der StraÃe her zu hören. Roderick stand auf, schob die Vorhänge einen Spalt weit auseinander und spähte nach unten.
»Herrgott noch mal«, stieà er entnervt hervor.
»Was ist?«, fragte Jane. »Was ist da unten los?«
»Sieht aus wie zwei Reporter, die um den besten Platz auf dem Bürgersteig rangeln. Die anderen feuern sie an.« Roderick zog die Vorhänge wieder zu. »Wahrscheinlich schlieÃen sie sogar Wetten ab, diese verdammten Parasiten. Vielleicht schlagen sie einander ja k. o.«
»Wenn das alles vorbei ist, werden unsere Nachbarn nicht gerade traurig sein«, sagte Jane. »Catherine Jones hat mich gestern angerufen und wollte wissen, wann du dein Urteil verkündest.«
»Und was hast du ihr gesagt?«
»Dass du zu Hause nie über deine Prozesse sprichst. Dass es so etwas wie richterliche Integrität gibt. Na ja, ganz so geschwollen habe ich es nicht ausgedrückt, aber ich glaube, sie hat es begriffen.«
»Braves Mädchen«, sagte Bentley mit beifälligem Nicken. »Du hast das Richtige getan.«
»Roderick?«
»Ja?«
»Du sprichst doch heute das Urteil, oder?«
Roderick lieà sich die Frage durch den Kopf gehen, nagte an seiner Oberlippe und atmete schwer. In einem Punkt hatte Jane recht, er sprach zu Hause nicht über seine Prozesse. Andererseits hatte er in seinen fünfzehn Jahren als Richter noch nie einer Verhandlung vorgesessen, die zu einem derartigen Aufsehen und öffentlichen Interesse geführt hatte, oder einen Fall gehabt, der dieses Maà an Schwierigkeiten und â für seine Familie â an Belästigungen seitens der Presse verursacht hatte. Und für seine Nachbarn. Er kam zu dem Schluss, dass er diesmal, aber nur dieses eine Mal, einen kleinen Regelverstoà wagen konnte, ohne seiner Integrität dadurch allzu sehr zu schaden.
»Ja«, gab er schlieÃlich zu, »ja, heute Abend wird alles vorüber sein. Da kannst du dir ganz sicher sein.«
»Und wie wird es lauten?«, fragte Jane so beiläufig wie möglich. Dabei schaute sie nicht in seine Richtung und, um ihr mangelndes Interesse zu unterstreichen, gab sie ein wenig von dem anstöÃigen Rührei auf ihre Scheibe Toast. »Leben oder Tod?«
»Jane«, sagte Roderick mit leisem Lächeln angesichts der Methoden, die seine Frau anwandte, um ihn zu einer Antwort zu verleiten. Mit den Jahren hatte er sich an ihre Tricks gewöhnt und tappte ihr nur selten in die Falle. »Du weiÃt, dass ich dir das nicht verraten kann.«
»Liebe Güte«, sagte sie, als ginge es um eine triviale Angelegenheit, die ihr die Zeit kaum wert war, »in wenigen Stunden wirst du es ohnehin der ganzen Welt verkünden. Also kannst du es mir auch jetzt sagen, oder? Ich werde es niemandem vorzeitig weitererzählen, das verspreche ich dir.«
An der Tür wurde höflich geklopft. Jane runzelte die Stirn und rief, man solle eintreten. Sophie, das Mädchen für alles, kam herein und brachte die Morgenausgabe der Times , die gerade geliefert worden war.
»Danke, Sophie«, sagte Jane, »leg sie einfach da aufs Bett, ja?
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