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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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durchhängende Leine um einen dicken Pfahl. Während die Schifferknechte das Boot vertäuten, schwang er sich von seinem Reittier und verbeugte sich vor Marie. »Meine Braunen haben gut gezogen! Findet Ihr das nicht auch, Herrin?«
    Marie verstand dies genau so, wie es gemeint war, nämlich als Aufforderung, ihre Geldkatze zu öffnen. Das tat sie auch und zählte dem Mann mehrere Münzen in die Hand. »Kauf deinenPferden eine gute Portion Hafer dafür. Sie haben es verdient.«
    Der Treidelknecht beäugte das Geld und fand, dass allein die kleineren Münzen für Hafer wie auch für ein gutes Essen und Becher süffigen Weines ausreichten. Das große Geldstück wollte er zu seinen Ersparnissen legen. Noch ein paar solch großzügige Trinkgelder und er konnte sich ein eigenes Treidelpferd kaufen. Dann würde er nicht mehr gegen geringen Lohn die Arbeit für andere tun müssen.
    Er verbeugte sich noch tiefer vor der Edeldame. »Ihr seid sehr großzügig, Herrin! Meine Pferdchen werden sich freuen.«
    Marie nickte ihm lächelnd zu und stieg an Land. Michi überließ es Anni, sich um das Gepäck zu kümmern, und folgte auf dem Fuße. »Was meinst du, Frau Marie, wollen wir gleich zu meinen Eltern gehen oder hier in der Herberge übernachten?«
    Marie streifte die Herberge am Hafen mit einem skeptischen Blick. »Da drinnen möchte ich lieber nicht schlafen, außerdem kann ich es kaum mehr erwarten, deine Eltern wiederzusehen.«
    Es waren nicht nur die lärmenden Stimmen der Schiffsknechte, die sie abschreckten. Die Rheinaue war sumpfig, und in ihr wimmelte es nur so von Blut saugenden Fliegen und Mücken. Zudem sah man dem Gebäude schon von außen an, dass es nicht den Ansprüchen gehobener Reisender genügte. Marie wusste von früher, dass Leute von Adel und reiche Kaufleute die halbe Stunde Fußmarsch in Kauf nahmen, um in den behaglichen Gasthäusern von Rheinsobern zu übernachten. Deshalb warteten meist ein paar Sänftenträger in der Kneipe auf Kunden. Auch diesmal eilten Männer herbei und priesen ihre Dienste an.
    Nach einem Blick auf die Sonne, die schon halb hinter den Hügeln jenseits des Stroms verschwunden war, schickte Marie die Träger weg. »Wir können den Ziegenhof noch vor Einbruch der Dunkelheit erreichen. Anni, du kommst mit uns. Gereon, Dieter, ihr nehmt euch des Gepäcks an.«
    Sie drehte den beiden Waffenknechten den Rücken zu und eilte los, ohne ihnen Gelegenheit zu geben, sich über diesen in ihren Augen unwürdigen Auftrag zu beschweren. Michi lief schon voraus, während Anni eine der Kisten öffnete und die Gegenstände herausnahm, die sie als unbedingt notwendig erachtete.
    Dieter, ein großer, vierschrötiger Mann mit kantigem Kinn, der, wie Anni wusste, zu den eher gutmütigen und auch recht leichtgläubigen Leuten gehörte, winkte zwei Herbergsknechte zu sich. »He, ihr Burschen, bringt diese Kisten in den Gasthof und sorgt dafür, dass morgen früh ein Fuhrwerk für uns bereitsteht.«
    Die Wirtsknechte sahen das Wappen mit dem auf einem Stein stehenden Kiebitz, welches die beiden Reisigen auf der Brust trugen, und wieselten eifrig herbei. Von solchen Reisenden war zwar kein gutes Trinkgeld zu erwarten, doch wenn man ihnen nicht gehorchte, erntete man meist ein paar derbe Ohrfeigen.
     

III.
     
    M aries Schritte wurden immer schneller, so dass sie Michi überholte und er sich nun beeilen musste, an ihrer Seite zu bleiben. Sie folgte zunächst ein Stück dem Weg nach Rheinsobern, bog dann nach rechts auf einen schmalen Pfad ein, der zwischen abgeernteten Getreidefeldern hindurchführte, und erreichte nach weniger als einer halben Stunde einige Bauernhöfe, die nahe genug beieinander lagen, um als Dorf gelten zu können. Der größte und schönste Hof gehörte Hiltrud. Noch während Marie sich fragte, was ihre Freundin zu ihrem überraschenden Auftauchen sagen würde, trat diese mit einem Holzeimer voller Essensabfälle aus dem Haus und wandte sich dem Schweinekoben zu. Als sie Marie und Michi bemerkte, blieb sie so ruckartig stehen, als wäre sie gegen eine Wand gelaufen. Der Eimer entglitt ihrer Hand und ergoss seinen Inhalt auf den sauber gefegten Hofplatz. Sie schiendie Bescherung nicht zu bemerken, denn sie öffnete und schloss ein paarmal den Mund, stieß dann einen gellenden Schrei aus und rannte den Ankömmlingen entgegen.
    »Marie! Bist du es wirklich? Du lebst ja!« Hiltrud umfasste ihre Freundin und herzte sie, ohne den Tränen Einhalt gebieten zu können, die wie kleine Bäche

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