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Das Vermächtnis des Martí Barbany

Das Vermächtnis des Martí Barbany

Titel: Das Vermächtnis des Martí Barbany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chufo Lloréns
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klopfte.

    »Herein!«, rief Almodis.
    Mit bleichem Gesicht und der Mütze in der Hand erschien Don Gilbert d’Estruc vor Almodis.
    »Entschuldigt bitte Euren Sekretär: Er ist nicht imstande, sich von seinem Lager zu erheben, und das verstehe ich. Der Sturm hat auch meine Männer mitgenommen. Ihr allerdings, Herrin, scheint mir wenig erschöpft zu sein.«
    »Herr d’Estruc, in meiner Lage sind die Probleme, die mich bedrängen, allzu ernst, als dass es mich beunruhigt, wenn das Schiff mehr oder weniger stark schaukelt.«
    In diesem Augenblick hörten sie die ferne und doch deutliche Stimme des Marsgastes.
    »Boote steuerbord!«
    Als der Ritter zum Bullauge stürzte, um sich selbst zu überzeugen, ließ sich schon die Stimme des zweiten Offiziers an Deck vernehmen.
    »Alle Mann zu den Waffen!«
    Aus dem Nebel tauchten zwei Schaluppen auf, deren Ruderblätter mit Tüchern umwickelt waren, um keine Geräusche zu machen. In ihnen saßen mehr als zwanzig Männer, die bis an die Zähne bewaffnet waren und deren Haltung eine neue, unmittelbare Bedrohung ankündigte.
    Gilbert d’Estruc begriff sogleich die Gefahr, in der sich seine Herrin befand.
    »Gräfin, Ihr dürft keine Zeit verlieren! Versteckt Euch wieder in der Kiste und kommt nicht heraus, bis die Bedrängnis vorüber ist oder wir alle tot sind!«
    »Herrin, tut, was Euch Herr d’Estruc sagt, und lasst mich Eure Kleider anziehen«, griff Lionor mit leichenblassem Gesicht ein. »Dann denken sie, dass ich die Dame bin, und so könnt Ihr Zeit gewinnen.«
    Almodis drehte sich zu ihrer Gesellschaftsdame um und lächelte dankbar.
    »Danke, Lionor. Das ist ein guter Einfall. Herr d’Estruc, gebt mir Euren Dolch und rechnet mich zu Euren Rittern.«
    »Herrin, Ihr bringt mich in eine schwierige Lage, die Anordnungen sind...«
    »Ich bin es, die jetzt etwas anordnet... Und zwar schnell, die Zeit drängt! Gebt mir den Dolch, geht an Deck und macht Euch bereit, das Schiff zu verteidigen.«
    Gilbert d‘Estruc gab seiner Herrin den Dolch, den er am Gürtel trug,
und verließ die Kajüte. Seine Ritter hatten sich inzwischen erholt, standen an der Tür und warteten auf Befehle.
    Die Seeleute hatten sich bewaffnet, um sich zu verteidigen. Sie hielten Eisenstangen, Dolche, Bootshaken, Ankertaue und alle Stoß- und Hiebwaffen in der Hand, die sie auf dem Schiff finden konnten. Als die beiden Frauen allein blieben, befahl Almodis: »Zieh meine besten Festkleider an und stell dich hinten an die Kajütenwand! Schnell!«
    An Bord kam es zu einem heftigen Getümmel. Die Angreifer kletterten über die Reling, nachdem sie Stricke hochgeworfen hatten, die mit ihren gebogenen Enterhaken an jedem Punkt der Galeere einen Halt fanden. Durch das Guckloch ihrer Kajütentür sah Almodis den Ereignissen zu. Gilbert d‘Estrucs Männer schlugen sich, ohne zurückzuweichen. Bald entdeckte sie, wer die Verbrecherbande kommandierte. In der einen Hand schwang der Mann einen maurischen Krummsäbel und in der anderen einen sarazenischen Dolch. Ein Auge war von einem Pflaster bedeckt, und er hatte sich ein rotes Kopftuch umgebunden. Der Kampf tobte auf dem ganzen Schiff, und keine Partei war stärker als die andere. Gilbert und seine Ritter mussten jedoch zum Achterkastell zurückweichen, um es zu verteidigen – wenn dieses nämlich in die Hand der Angreifer fiel, war es um das Schiff geschehen. Da Almodis sah, dass der Korsar auf die Kajüte zulief und offenbar eindringen wollte, befahl sie Lionor: »Ich mache gleich die Tür auf. Wehre dich nicht, wenn er dich überfällt. Das ist ein kleineres Übel... Hab keine Angst, ich lasse dich bei diesem Abenteuer nicht im Stich.«
    Die Gräfin schob den Riegel zurück, hob den Deckel der großen Kiste und versteckte sich darin. Dabei konnte sie die Kajüte durch die kleine Gitteröffnung beobachten, die man als Luftloch hineingebohrt hatte. Mit dem Krummsäbel in der Hand stürmte der Bandit in die Kajüte. Als er eine prächtig aufgeputzte Frau an der hinteren Wand entdeckte, huschte ein boshaftes Lächeln über sein schiefes Gesicht. Mit dieser Frau konnte er ja ein stattliches Lösegeld erpressen und außerdem einen köstlichen Leib genießen. Der Schurke verriegelte die Tür, zog den Dolch und legte den Säbel auf ein Bett. Unverzüglich stürzte er sich auf die verängstigte Dame, die in diesem Moment glaubte, dass ihr letztes Stündlein geschlagen hatte. Als er gerade den Bliaud der armen Doña Lionor zerreißen wollte, wurde das Gesicht des Piraten

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