Das Vermächtnis des Martí Barbany
wenn er Euch die Flügel stutzt. Das heißt: Wenn er den ganzen Kuchen für sich behalten will, kann er auch das ihm zustehende Stück verlieren.«
»Legt Ihr mir nahe, dass ich ein doppeltes Spiel treiben soll?«, fragte Martí, als er den Vorschlag allmählich verstand.
»Tatsächlich müsst Ihr seine Gier wecken: Wenn er Euch gestattet, mehrere gute Geschäfte zu machen, soll er merken, dass er bei einigen,
aber nicht bei allen seinen Anteil abbekommt. Ich überlasse es Eurer Diskretion, dass Ihr den Angelhaken mit genug Köder verseht, damit er Euch für einträglich genug hält und Euch deshalb erlaubt, Euch zu bewegen, ohne einen Anteil von den Geschäften zu verlangen, die Ihr ohne seine Mitwirkung unternehmt.«
»Ich bewundere Euren Scharfsinn, Baruch.« Martís Lippen verzogen sich zu einem freimütigen Lächeln.
Benvenist machte eine verdrossene Geste.
»Glaubt nicht, dass so etwas das Ergebnis eines Tages ist: In langen Jahren haben die Angehörigen meiner Rasse gelernt, stürmische Meere zu durchschiffen. Die Menschen sind wie Wölfe, und damit man sich unter ihnen behaupten kann, muss man sich nach den Regeln des Römers Horaz richten, der im Sinne seines Lehrmeisters Epikur die Aurea mediocritas empfiehlt, das heißt: Lebe so gut, wie du es vermagst, ohne den Neid der Übrigen zu wecken.«
»Und in welche Richtung muss ich mich bewegen, um mich seinem Einfluss zu entziehen, was glaubt Ihr?«
»Alles, was Ihr in der Stadt unternehmt, gehört in der einen oder anderen Form zu seinem Zuständigkeitsbereich. Etwas anderes ist es, wenn Ihr Euch Seegeschäften zuwendet und sich Eure Haupttätigkeit außerhalb der Stadt entwickelt: Dorthin reicht sein Einfluss nicht, denn dann käme es zu einem Konflikt mit den Interessen der Seefahrer. Und glaubt mir, das große Geld lässt sich bei der Schifffahrt, mit der Einfuhr von überseeischen Erzeugnissen verdienen, nicht ohne Risiken, selbstverständlich, und die Genehmigung für diesen Handel hängt in all seinen Formen vom Grafen ab.«
»Davon weiß ich nichts, und ich gebe mich nicht gern mit Wunschträumen ab. Seht Ihr eine Möglichkeit, auf diesem Gebiet vorwärtszukommen, ohne dass ich beim ersten Versuch Schiffbruch erleide?«
»Das könnte sein.« Der Jude zögerte einen Augenblick, doch am Ende entschloss er sich zum Weitersprechen. »Meine Leute prüfen gerade eine besondere Handelstätigkeit, die wir mit Euch einleiten könnten, was auch für uns von Nutzen wäre, um aufrichtig zu sein. Wenn nämlich nicht irgendein vertrauenswürdiger Christ das sichtbare Haupt des Geschäfts ist, wird es uns nicht möglich sein, das Projekt zu verwirklichen.«
»Seid so liebenswürdig und drückt Euch deutlich aus...«, bat Martí aufgeregt.
»Hört zu. Das große Risiko der Seefahrt besteht darin, dass die Ware, das Schiff oder beide verloren gehen. Versteht Ihr?«
»Bis jetzt ja. Aber...«
»Lasst mich weitersprechen. Als Erstes muss man ein Frachtschiff kaufen oder wenigstens an einem beteiligt sein. Das würde Eure Sache sein, allerdings kann ich Euch dabei unterstützen. Danach kommt es auf Euren Sachverstand an, um die Fracht und den Hafen oder die Häfen auszuwählen, wo man die Waren lagert und abholt... Ihr müsst Eurer Zeit vorauseilen. Der Handel, den ich Euch vorschlage, ist nicht der in unseren Tagen übliche, der darin besteht, an fernen Orten einzukaufen und die Fracht nach Barcelona zu befördern. Der zukünftige Handel wird darin bestehen, die Wetterbedingungen und das Ladevermögen der Schiffslagerräume weitestgehend zu nutzen und zu untersuchen, welche Lieferung in jedem Zwischenhafen für die Einwohner dieser Gegend am besten geeignet ist. Gebt acht: Stellt Euch vor, dass Ihr der Fahrt Eures Schiffs ein Jahr vorausgeeilt seid und Vereinbarungen in mehreren Königreichen abgeschlossen habt, um die Waren zu transportieren und zugleich neue zu laden, die Ihr im nächsten Hafen löschen sollt. Ich nenne Euch ein Beispiel: Ihr fahrt von Barcelona ab und ankert vor der Küste von Perpignan, wo Ihr die Erzeugnisse ausladet, die für diese Gegend interessant sind, und Ihr nehmt die auf, die in Eurem nächsten Bestimmungshafen gebraucht werden. In Palermo macht Ihr das Gleiche, Ihr wiederholt es in Brindisi und schließt es in Ragusa ab, und auf der Rückfahrt krönt Ihr das Unternehmen in Barcelona, indem Ihr alles mitbringt, was die Stadt benötigt und kaufen kann. Auf diese Weise nutzt Ihr die Ladefähigkeit Eures Schiffes auf der Hin- und
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