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Das Vermächtnis des Martí Barbany

Das Vermächtnis des Martí Barbany

Titel: Das Vermächtnis des Martí Barbany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chufo Lloréns
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Rückfahrt so weit wie möglich aus. Ich brauche Euch nicht erst zu sagen, dass Ihr, wenn Euer Schiff zurückkehrt, schon vorausreisen und all jene Erzeugnisse kaufen müsst, die die Fracht der nächsten Fahrt ausmachen werden.«
    Martí kam nicht aus dem Staunen heraus.
    »Aber sagt mir: Was hindert Euch daran, dass Ihr das Geschäft selbst macht?«
    »Das wäre zu gefährlich: Wir brauchen entschlossene Leute, die vertrauenswürdig und bereit sind, Wagnisse auf sich zu nehmen, die uns als Juden untersagt sind.«
    »Welchen Gewinn brächte es Euch dann?«
    »Dazu komme ich jetzt. Das Meer ist voller Gefahren, die Natur lässt
sich nicht bezwingen, es gibt Stürme und übermäßige Windstille, Piraten und Feinde liegen auf der Lauer. Unser Geschäft ist das folgende: Einer unserer Teilhaber kauft Euch zu einem vereinbarten Preis in jedem Hafen die Ware ab, die Ihr an Bord nehmt, und auch das Schiff. Falls Eure Fahrt wegen eines Sturms scheitert, verliert Ihr nichts, denn Euch gehören weder die Fracht noch das Schiff: Der Verlust trifft also uns.«
    »Ich verstehe Euch nicht.«
    Der Jude sprach ruhig weiter, als wäre er nicht unterbrochen worden.
    »Aber in dem Fall, dass Ihr erfolgreich ankommt, kauft Ihr beim Eintreffen im Hafen das Schiff und die Waren zu einem höheren Preis zurück: Aus diesem Unterschied wird unser Gewinn bestehen. Wenn es uns gelingt, mehrere Schiffe auf dem Meer zu haben, und wenn eines untergeht, werden die übrigen diesen Verlust ausgleichen, und auf die Dauer sind die Risiken sehr gering. Die Fracht garantiert Euch einen vorausberechneten Gewinn, und darin besteht Euer Geschäft. Unseres besteht darin, mit sicheren Schiffen zu handeln, was uns im Lauf der Zeit Gewinne bringt.«
    »Und was würde geschehen, wenn die erste Fahrt misslingt?«
    »Wir sind ein Volk, das geduldig arbeitet, und wir wissen, dass sich diese Vorgehensweise auf die Dauer für uns auszahlt.«
    Als Martí das Haus Benvenists verließ, schwirrten ihm zahlreiche Projekte im Kopf herum. Er hatte schon zusammen mit dem Juden berechnet, wie viel er von seinem väterlichen Erbe investieren könnte, um die Hälfte eines Schiffs zu erwerben, das seine Erwartungen erfüllte.

26
    Die Seereise
    September 1052
     
    D as Schiff schlingerte heftig. Die vom Sturm gepeitschten Wellen trieben es hin und her, als wäre es ein dem Wind preisgegebener Korken. Das Meer hatte sich mit weißen Schaumkämmen überzogen. Die bleiernen Wolken rissen auseinander, wurden von Blitzen durchzuckt und spien Regenfluten aus, die es unmöglich machten, etwas zu erkennen, was weiter als eine Handbreit von der Nase der verängstigten Mannschaft entfernt war. Nichts blieb an seinem Platz, als der Ladungsstropp zerrissen war. An Deck bemühten sich die Männer, das verrutschte Stückgut festzuzurren, das ungehindert vom Bug zum Heck und von Backbord nach Steuerbord glitt. Gleichzeitig versuchten sie, die Kommandos des Kapitäns auszuführen, der sich verzweifelt anstrengte, um sie mit seiner Stimme vom Achterkastell aus zu erreichen und den Höllenlärm des Sturms zu übertönen, damit sie das von ihm verlangte Manöver ausführen konnten. Der Steuermann war am Steuerrad festgebunden und zwang das Notruder, gegen die Trägheit des Schiffs anzukämpfen. Das Kommando war klar und eindeutig. Alle Segel waren eingezogen, nur der Bugsprietklüver blieb gesetzt. Die Valerosa , deren Spanten wie die Rippen eines riesigen verletzten Tieres kläglich knirschten, sollte lavieren und dem Sturm das Heck zudrehen, um sich dem Land zu nähern und Zuflucht in einer der kleinen Buchten zu suchen, die sich an dieser Küste öffneten. Eines der dicken Taue, das über einen Flaschenzug lief und mit dem das Schiff genötigt werden sollte, dem Steuerruder zu gehorchen, war mitten bei diesem Manöver zerrissen, sodass die Galeere nun für kurze Zeit dem Sturm ausgeliefert blieb. Unter diesen Umständen war das Manöver höchst gefährlich. Der Galeerenvogt brüllte wie ein Besessener und
ließ seine Peitsche auf die Rücken des unglücklichen Rudervolks knallen. Die Backbordriemen klatschten ins Meer, während die Steuerbordriemen im Wasser blieben und so das Notruder unterstützen sollten. Der Nordwind ließ Wasserberge emporschnellen, und der übel zugerichtete Schiffsrumpf hob die Galionsfigur aus dem Wasser, um über die riesigen Wellen hinauszukommen, und danach bohrte er sich bis zum tiefsten Grund der flüssigen Hölle hinab, die diese Nussschale zu verschlingen

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