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Das Vermächtnis des Rings

Das Vermächtnis des Rings

Titel: Das Vermächtnis des Rings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Bauer
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lagen, hatte er nicht sehen können, weil sie von den Umhängen und Jacken bedeckt wurden, die die Herren zusammen mit ihren Waffen vor Beginn des Schachspiels abgelegt hatten.)
    Der Drache hatte nach der Sonne geschielt. Es war schon Nachmittag, und wenn er pünktlich zum Abendessen in seiner Höhle sein wollte, musste er sich langsam auf den Rückweg machen.
    »Es ist nicht auszuschließen, dass die Drachenkämpfer mit ihren Schwertern in der Burg sitzen«, hatte er sich gesagt. »Oder dass die Schwerter irgendwo herumliegen. Sind ja schwer, die Dinger, wer will die schon die ganze Zeit mit sich herumschleppen. Es ist besser, ich fliege nach Hause.« Er hatte noch eine Runde gedreht. »Die Sonne scheint mir dann zwar den ganzen Rückweg hindurch in die Augen, aber es ist besser.
    Auf der anderen Seite ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass sich da unten Drachentöter aufhalten«, war er fortgefahren, als er noch ein ganzes Stück tiefer geglitten war. »Drachentöter sind meiner Einschätzung nach keine geselligen Menschen, und ich kann mir nicht vorstellen, dass sie für getrüffelte Gänseleber schwärmen. Und selbst wenn wider Erwarten einer aus dem Gebüsch hervorspringen würde, könnte ich immer noch fortfliegen.«
    An diesem Punkt seiner Überlegungen angelangt, war er schon so tief über der Erde, dass er landen oder ein kompliziertes Durchstartemanöver vollziehen musste. Er entschied sich für die Landung und riss eine tiefe Furche in den Rasen neben dem Schachfeld.
    Die Menschen, in deren unmittelbarer Umgebung er gelandet war, erstarrten, wie gesagt, vor Schreck, sofern sie nicht in Ohnmacht fielen. Die Menschen, die außerhalb seiner Reichweite waren (und die Festwiese war riesengroß, selbst für jemanden mit Brunophylax’ Ausmaßen), ergriffen instinktiv die Flucht. Sie rannten, was das Zeug hielt, auf die Burg zu.
    Bruno sah es und seufzte verdrießlich.
    »Man kann sie nicht alle auf einmal haben«, sagte er, wobei sein heißer Atem dem Diener unter seiner Tatze den Schnurrbart ansengte.
    Dieser glaubte, sein letztes Stündlein sei gekommen, und fing an zu schreien: »Gnade! Gnade! Verschont mich, ich bitte Euch!«
    König Feodor löste sich als Erster aus seiner Schreckensstarre. Er riss sich die schwarze Krone seines Kostüms herunter und machte einen Schritt auf Bruno zu.
    »Das ist gegen die Abmachung«, sagte er, und nur ein ganz leichtes Zittern in seiner Stimme verriet, dass er sich vor dem großen Drachen fürchtete. Melinda fühlte, wie ihre Knie weich wurden und nachgaben. Sie suchte nach etwas, um sich zu stützen, und fand den Arm von Jeremy Ohneland. Jolanda sank mit einem Seufzer und einer nur halb gespielten Ohnmacht in Guy von Gilesburys Arme, und Prinz Adalbert griff nach der Hand seiner Mutter.
    König Feodor sagte mit aller Autorität, die er aufbringen konnte: »Erst vor drei Tagen sind dir Säcke voll mit Gold und Silber übergeben worden. Oder etwa nicht?«
    »Doch«, sagte Bruno.
    Es klang so kleinlaut, dass der König Mut schöpfte. »Wir haben eine Vereinbarung«, fuhr er streng fort. »Du bekommst diese großzügigen Zuwendungen und hältst dich dafür von meinem Land und meinen Leuten fern.«
    »Die Vereinbarung besagt, dass ich deinem Land und deinen Leute nichts antue«, verbesserte Bruno und nahm seine Tatze von der Brust des wimmernden Dieners. »Und das habe ich auch nicht getan. Keinem wurde auch nur ein Haar gekrümmt. Oder, mein blaugoldener Freund?«
    Der Diener kroch, am ganzen Körper schlotternd, zu seinem Kameraden neben dem zusammengekrachten Pavillon und schüttelte den Kopf.
    »Na siehst du«, sagte Bruno zum König. »Es ist gar nichts passiert.« Er versuchte ein schiefes Grinsen, aber für König Feodor sah es aus wie eine drohende Grimasse.
    »Ich habe verstanden«, sagte er. »Was willst du?«
    »Nun«, sagte Bruno und schaute sich um. Er wusste selber nicht so recht, woher er den Mut genommen hatte, herzukommen, aber wo er schon mal da war, wollte er auch das Beste daraus machen. »Für’s erste würde ich mich mit einer Rebhuhnpastete zufrieden geben.«
    »Rebhuhnpastete!« Der König fühlte sich verspottet. »Ich möchte, dass wir diese Angelegenheit schnell hinter uns bringen. Also sag, was du willst, und ich sage dir, ob ich es dir geben kann. Ansonsten…« Hier verstummte er, weil er beim besten Willen nicht wusste, was er ansonsten tun könnte.
    Bruno musterte das gerötete Gesicht des Königs mit gemischten Gefühlen. Er war sich selbst

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