Das Vermaechtnis des Will Wolfkin
Tattoo in Gestalt eines Wolfes mit erhobenem Kopf und aufgerissenem Maul – wie erstarrt in lautlosem Geheul. Seine Konturen folgten meiner Herzlinie, meiner Lebenslinie und meiner Kopflinie. Das gleiche Tattoo war in Emmas Hand.
»Die Zeichen in eurer Haut beweisen, dass ihr zur Familie des Wolfes gehört. Man nennt sie Clanzeichen und sie werden euch für den Rest eures Lebens begleiten«, sagte Doktor Felman. »Sie besitzen große Macht und ihr werdet bald lernen, welchen Sinn sie haben.«
Wir betrachteten gegenseitig unsere Hände und schlossen sie dann wieder zu Fäusten.
»Bruder und Schwester Wolfkin«, sagte Doktor Felman. »Gemeinsam werdet ihr stark sein.«
»Sehr originell«, sagte Egil, während er ein umfangreiches Abendessen, bestehend aus gebratenem Papageientaucher und Elch, auf den Tisch brachte. Emma und ich saßen da und starrten immer noch ungläubig auf die Wolf-Tattoos in unseren Händen.
»Wollt ihr Bratensoße dazu?«, fragte Egil zum dritten Mal, inzwischen leicht genervt. Wir antworteten nicht, so versunken waren wir in den Anblick der Zeichen.
»Bitte, Egil, gib uns doch einen Hinweis«, sagte ich, ohne aufzuschauen. »Was sollen diese Zeichen bewirken?«
»Denkst du vielleicht, ich würde mich auch nur einen Moment über Großvaters strenge Anordnung hinwegsetzen und dir irgendetwas sagen?«
»Er weiß es ja auch nicht«, sagte Emma leichthin, und ich merkte, dass sie ihm auf diese Weise nur etwas entlocken wollte.
»Weiß ich wohl!«, sagte Egil und stellte die Soßenschüssel auf den Tisch, dass es schepperte.
»Weißt du nicht«, sagte Emma. »Diese Art von Magie ist für Egil zu hoch. Wir sind doch über seinen Level längst hinaus.«
»Also, das ist ja wohl …!« Egil machte einen Luftsprung und kratzte ins Leere. »… ein Luftknoten«, rief er.
»Genau«, sagte ich und nahm Emmas Spiel auf, »ein Luftknoten, weil dich die Wölfe auf unseren Händen ebenso ratlos machen wie uns. So was hast du nämlich selbst noch nicht gesehen.«
»Es sind Clanzeichen!«, rief er verzweifelt. »Ich hab doch auch eins. Eine Katze. Seht her …«
Egil zeigte uns seine geöffnete Hand, aber wir blickten nicht einmal auf.
»Das hast du doch selbst hingekritzelt«, sagte Emma und schnitt sich Fleisch ab. »Aber unsere Tattoos sind was Besonderes.«
»Sie sind nichts Besonderes, es handelt sich ganz einfach um simple Clanzeichen, die …«
»… die was bewirken?«, hakte ich schnell nach.
»Die Zutritt verschaffen in …«
»Egil!«, kam eine schneidende Stimme. Es war Doktor Felman, der plötzlich hinter dem Seidenvorhang zu meinem Zimmer aufgetaucht war. Emma und ich fluchten lautlos. Doktor Felman trat an den Tisch, und Emma, die Egils Unbehagen sah, lächelte still vor sich hin.
»Bitte geh vorsichtig mit unserer teuren Prinzessin und dem Prinzen um«, sagte Doktor Felman zu ihm. »Sie halten sich nämlich für schrecklich klug.«
Doktor Felman beugte sich über meine Schulter und nahm sich ein Stück Braten. Anerkennend nickte er Egil zu.
»Du bist in der Tat ein ausgezeichneter Koch!«, sagte er.
»Aber reinlegen lässt er sich leicht«, sagte Emma.
Doktor Felman dachte einen Augenblick nach. Dann legte er mir die Hand auf die Schulter und lächelte Emma über den Tisch hinweg zu. »Das ist keine Art, über euren nächsten Lehrer zu sprechen«, sagte er. Emma und ich hörten gleichzeitig zu kauen auf. »Mein Entschluss steht fest: Ab morgen wird Egil euren Unterricht übernehmen.«
Ich drehte mich um und sah Doktor Felman ungläubig an.
»Wenn Egil euch etwas erzählen soll, dann müsst ihr ihm schon die Chance geben, es richtig zu tun. Ich sage nur so viel: Das Jerlamar kann Dinge vortäuschen und in Realität verwandeln. Morgen wird euch Egil alles über Clanzeichen und ihre Bedeutung erklären.«
Damit machte Doktor Felman kehrt und verschwand wieder hinter dem Vorhang. Egil hielt den Kopf schief wie eine Katze und grinste uns an.
»Das ist ja wohl nach hinten losgegangen, oder? So! Und wenn ihr mit Essen fertig seid, ab ins Bett. Bei Professor Catkin sind die Tage lang und es gibt jede Menge Hausaufgaben.«
15. Kapitel
D u? «, sagte ich. »Ein Lehrer?«
Emma und ich trafen uns mit Egil neben dem Felsbrocken des Knienden. Er trug zum heutigen Anlass ein fließendes schwarzes Gewand, in dem er an eine Fledermaus erinnerte. Sein strubbeliges Haar hatte er straff zurückgekämmt und mit Öl angeklatscht. Trotzdem sah er noch aus wie Egil.
» Ich ein Lehrer,
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