Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Titel: Das Vermaechtnis des Will Wolfkin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Knight
Vom Netzwerk:
wurden schmal. Ich schaute auf meine Füße.
    »Du meinst mich ?«, sagte sie leise.
    Ich antwortete nicht. Plötzlich erschien wie aus heiterem Himmel Earl Hawkin hinter einem Baum.
    »Kommt, kommt, Kinder, ihr dürft den Zauberkreis nicht durchbrechen, keine Trödelei bitte«, sagte er. Aber mit seinem ausgeprägten Einfühlungsvermögen spürte er wahrscheinlich die düsteren Gefühle, die über uns hingen. Er umrundete Emma und mich, während wir immer noch zu Boden blickten.
    »Was hast du gehört, Toby?«, fragte Earl Hawkin.
    »Nichts«, sagte ich schnell. Ich spürte seine Blicke auf meinem Gesicht.
    »Etwas von Verrat«, sagte er behutsam.
    »Ich muss es falsch verstanden haben.«
    Plötzlich bereute ich, dass ich überhaupt etwas gesagt hatte, doch wie es aussah, fand Earl Hawkin diesen schrecklichen Moment geradezu faszinierend. Er drehte sich um, musterte Emma neugierig und murmelte: »So, so, so …«
    »Gut möglich, dass du eine Stimme von den Steinen gehört hast«, sagte er. »Blätter und Bäume geben gesprochene Worte weiter, Felsen und Steine dagegen können auch tiefe Gefühle von Vorübergehenden aufnehmen. Du musst also einen Stein gehört haben, der einen Gedanken oder ein Gefühl von unserer lieben Emma gespeichert hat.«
    Ich sah Emma an. In diesem Augenblick brach hinter den belaubten Baumkronen ein Geysir aus und senkte einen feinen Wasserschleier auf unsere Köpfe. Ein Regenbogen bildete sich zwischen Emma und mir.
    Earl Hawkin betrachtete den Regenbogen eingehend, dann lächelte er.
    »Wer die Stimmen der Steine hören kann, ist schon sehr fortgeschritten«, sagte er. »Ausgezeichnet, Toby. Zehn Bonuspunkte. Du machst dich wirklich sehr gut. So, der Unterricht ist für heute beendet. Ihr könnt gehen.«

    In dieser Nacht lag ich lange wach. Das Feuer in meinem Zimmer knisterte und zischte. Hätte ich bloß nichts von der Sache gesagt, es war bestimmt alles Unsinn. Ich fragte mich, warum Earl Hawkin so fasziniert gewesen war und warum Emma nichts dazu gesagt hatte. Diese Gedanken rumpelten in meinem Kopf hin und her wie Fässer im Frachtraum eines Schiffes in stürmischer See. Da hörte ich plötzlich Emmas Stimme auf der anderen Seite des Vorhangs.
    »Bist du wach, Toby?«, fragte sie.
    Sie zog den Vorhang auf. Ihr Haar war hinten zusammengebunden und mit einem goldenen Kamm festgesteckt. Auf ihrem Seidenmantel war das blaue Auge eingewebt und rund um die Ärmel ein Reigen goldener Wölfe.
    »Es tut mir leid, dass ich so was Blödes gesagt habe«, fing ich an.
    Emma machte ein wütendes Gesicht, und ich dachte, sie sei wütend auf mich. Aber so war es nicht. Sie ließ sich schwerfällig vor dem Feuer nieder.
    »Es braucht dir nicht leidzutun«, sagte sie. »Der Stein hatte recht.«
    »Emma, bitte, es war doch nur ein dummes Spiel …«
    »Nein, Toby. Ich habe darüber nachgedacht. Und es stimmt. Ich habe wirklich daran gedacht, dich zu verraten …«
    »Emma, was redest du da?«
    »Jedes Mal wenn ich etwas besser mache als du, frage ich mich, ob in mir vielleicht mehr von einem Fel steckt als in dir.«
    »Aber das ist doch kein Verrat«, sagte ich.
    »Außerdem denke ich immerzu an das viele Gold hier. Wenn ich Gelegenheit zur Flucht hätte, würde ich ganz viel Gold klauen, nach Hause fahren und dich hier sitzen lassen.«
    Meine Intuition sagte mir, dass auch sie wach gelegen und sich Gedanken gemacht hatte. Ich nahm ihre Hand und lächelte.
    »Solche Gedanken hat jeder mal«, sagte ich. Ich stand auf, hüllte mich in das Hirschleder, das auf meinem Bett lag, und trat an das prasselnde Feuer.
    »Was hat die Stimme dann aber gemeint?«, fragte Emma.
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte ich. »Ich weiß nur, wenn hier jemand vorhat, einen anderen zu verraten, dann ich. Sollten wir König und Königin werden, wer von uns beiden hätte dann das Sagen? Meinst du, ich hätte noch nie darüber nachgedacht? Es ist so, wie du es von meiner Blume gehört hast: Ich habe immer von Macht geträumt, weil ich so machtlos war.«
    Emma nahm meinen Arm, aber ich entzog ihn ihr.
    »All diese Jahre im Rollstuhl war ich jedem auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Manchmal stelle ich mir nachts vor, wie ich ins Kloster zurückgehe und mich an allen räche, die jemals grässlich zu mir waren oder mich ausgelacht haben. Und ich will auch meine Eltern finden, die mich im Stich gelassen haben; ich will ihnen gemeine Dinge an den Kopf werfen.«
    Ich konnte nicht weitersprechen. Emma zog ihren Seidenmantel enger um

Weitere Kostenlose Bücher