Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Titel: Das Vermaechtnis des Will Wolfkin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Knight
Vom Netzwerk:
anscheinend viel unterhaltsamer war als meiner.
    Kaum schoss mir dieser neidvolle Gedanke durch den Kopf, stellte der Wolf in meiner Handfläche seine Bewegungen endgültig ein.
    Früh am nächsten Morgen kam Egil und sagte, er wolle mit uns und unseren »kleinen Lieblingen« einen Lauf machen, denn sie müssten trainiert werden. Auf dem Weg durch das Langhaus starrte Emma fortwährend in ihre Hand und lachte über die Kunststücke, die ihr Wolf auf ihrem Handgelenk und Unterarm vollführte. Offensichtlich war er putzmunter. Ich hielt die Hand fest geschlossen, weil ich Emma und Egil nicht sehen lassen wollte, dass mein Wolf in der Nacht anscheinend gestorben war. Umgekommen durch meine Zweifel.
    Dann rannten wir los, jagten über die matschige Ebene und ließen uns von Egils Rufen anfeuern: »He, he, he, weiter bis zu den Bergen!« Dadurch, dass wir rannten, würden die Wölfe auf unseren Händen ebenfalls rennen, so der Plan, und indem wir gemeinsam rannten, bildeten wir ein Rudel nach Art der Wölfe. Egil sagte, wir sollten unsere Köpfe von allen Menschengedanken frei machen und uns angewöhnen, die Welt zu riechen und zu schmecken, statt sie zu betrachten. Irgendwann, so versicherte er, würde sich unsere äußere Erscheinung wandeln, und wir würden zu dem Tier werden, das in unserer Seele wohnt.
    Unser Atem stieß beim Laufen Wolken in die eiskalte Luft. Wir müssten es spüren, rief Egil keuchend, wenn der Wolf in unseren Handflächen scharrte, und dann sollten wir versuchen, uns selbst als Wolf zu fühlen.
    Mit Pfeil und Bogen durch die Wälder jagen war das eine. Das hier war etwas anderes, und schon bald wurde das gnadenlose Tempo zum Test für unser Durchhaltevermögen. Emma war ihr Leben lang viel gerannt, hatte weite Entfernungen zurückgelegt, um Wasser zu holen, Kühe zu hüten und vor endlosen Kriegen zu fliehen. Jetzt, als die Landschaft hügelig wurde, blieb ich hinter Emma und Egil zurück. Außerdem bewegte sich der Wolf in meiner Faust ohnehin nicht mehr. Emma und Egil mussten langsamer laufen und ab und zu stehen bleiben, damit ich sie einholen konnte.
    Schließlich setzte ich mich keuchend auf einen Stein. Ich war enttäuscht. Um den dämlichen Wolf zu ärgern, grub ich meine Fingernägel in die Handfläche. Egil und Emma blieben vor mir stehen. Egil bog meine Finger auf und betrachtete meine Handfläche.
    »Aha, da scheint es eine Blockade zu geben, Toby«, sagte er und blickte mich aus seinen großen grünen Augen an. »Vielleicht solltest du …«
    »Egil, bitte! Fang bloß nicht wieder mit diesem verdammten Nebel an, ich habe nämlich keine Ahnung, wovon du redest. Emma? Verstehst du etwa, was er meint?«
    Emma schüttelte den Kopf, aber meine Intuition sagte mir, dass sie log. Ich starrte sie an.
    »Also eigentlich …«, sagte sie, »war es so, dass ich … ich habe beim Laufen die Augen geschlossen und dann …«
    Ich spürte, dass Emma mich immer weiter hinter sich ließ, und ich wollte gar nicht hören, was passiert war, als sie die Augen schloss. Aber gleichzeitig wollte ich es doch hören. Jedes Wort.
    »Ich habe gesehen … gespürt …«, sie sah Egil an, der sie drängte weiterzusprechen, »… eine Art weißen Nebel habe ich gespürt … etwas wie eine Erinnerung. Und ich war selbst in dem Nebel drin. Es war, als erinnerte ich mich an etwas, das nie passiert ist. Aber jetzt ist es eben doch passiert …«
    »Wunderbar ausgedrückt, Emma«, sagte Egil sanft, und die beiden sahen einander an wie Mitglieder eines Geheimbunds.
    »Ich bin sicher, Toby, dass du es auch erleben wirst«, sagte Emma. »Du brauchst nur ein bisschen mehr Zeit.«
    Ich stand auf und kehrte den beiden den Rücken. Ihr höfliches, rücksichtsvolles Gerede war das Letzte, was ich jetzt hören wollte, ganz besonders wenn es von Emma kam. Ich spürte das vertraute Gefühl von Resignation, und eine innere Stimme sagte mir, dass jemand, der behindert zur Welt gekommen ist, auch in verrückten neuen Welten wie dieser behindert bleiben wird. Egil kam und sprach leise auf mich ein.
    »Toby, ich will dich nicht unter Druck setzen oder so, aber wenn du nicht lernen kannst, deine Gestalt zu verändern, dann hat es keinen Zweck, dass ich dich mitziehe, dann muss Emma allein weiterüben. In diesem Fall wird sie höchstwahrscheinlich einen schrecklichen Tod von der Hand Helva Gullkins erleiden und Langjoskull wird dreitausend Jahre lang Tyrannei und Gemetzel erdulden müssen.«
    »Vielen Dank, Egil«, knurrte ich. »Das ist

Weitere Kostenlose Bücher