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Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Titel: Das Vermaechtnis des Will Wolfkin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Knight
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rasen. Im letzten Moment blieb sie abrupt stehen. Ich stieg ab und beim Anblick des Wasserfalls aus dieser Nähe blieb mir fast das Herz stehen.
    Das Tosen des herabstürzenden Wassers bildete einen permanenten Geräuschpegel wie von einer kraftvollen Turbine. Als ich vorsichtig über den Rand blinzelte, zog das senkrecht stürzende Wasser meinen Blick unwiderstehlich hinab in die Klamm, in der sich die Wassermassen sammelten. Der Fluss strömte vom Wasserfall aus in reißenden Sturzfluten weiter in Richtung Osten. Ich drehte mich nach Gletta um, die immer noch stumm und aufmerksam neben mir stand.
    »Was ist das für ein Ort?«, fragte ich. Aber Gletta blies nur eine Dampfwolke in die Luft.
    Wieder blickte ich über den Rand – es ging weit, weit hinunter. Jetzt musste ich nur noch springen.

    Es ist nicht leicht, seinen Körper zu zwingen, ausgerechnet das zu tun, was er auf gar keinen Fall tun will. Der Körper ist schlau. Er weiß, wie er am Leben bleibt. Er weiß, dass man sich nicht in eine reißende Wasserflut stürzt und hundert Meter tief in einen eiskalten Kessel fallen lässt, in dem der sichere Tod wartet.
    Ich ging am Rand der tosenden Wassermassen auf und ab und sprach laut mit mir.
    »Was für eine unmögliche, dreimal idiotische Idee«, sagte ich. Aber nach einer Weile setzte ich mich auf einen Stein und ging ernsthaft mit mir ins Gericht.
    Während ich noch so auf mich einredete, fing plötzlich meine Handfläche zu jucken an. Ich sah hin und stellte überrascht fest, dass sich mein Clanzeichen verändert hatte. Statt des heulenden Wolfes war da jetzt ein dickeres, plumperes Tier mit platter Nase. Als es sich bewegte, erkannte ich es als Seehund. Der Seehund öffnete das Maul und stieß einen stummen Schrei aus.
    »Hilf mir, Schwester Mary, ich glaube, ich habe total den Verstand verloren«, sagte ich. »Aber … los geht’s.«
    Ohne weiter nachzudenken, lief ich auf den Abgrund zu und sprang. Es dauerte eine Weile, bis ich in den Wasserfall eintauchte, aber als es dann so weit war, bestand die ganze Welt nur noch aus weißem Schaum und sprudelnden Blasen. Bei dem rasanten Abwärtstaumeln drehte sich fast mein Magen um und ich ruderte instinktiv mit den Armen.
    Irgendwann wirbelte ich im Dunkeln umher wie eine Socke in einer Wäscheschleuder, und mir wurde klar, dass ich auf Gedeih und Verderb den Stromschnellen ausgeliefert war. Ich wollte Schwimmbewegungen mit den Armen machen, aber ich hatte keine Arme. Ich wollte mit den Beinen rudern, aber als ich es versuchte, spürte ich nur etwas Schweres, Festes.
    Dann entspannte sich mein Körper und ich war aus den schlimmsten Strudeln heraus. Dem Gefühl nach schwamm ich durch das Dunkel nach oben und stieß durch die Wasseroberfläche eines reißenden Flusses. Ich blickte an meinem Körper hinab. Flüchtig sah ich, dass dort, wo meine Beine sein sollten, der Schwanz eines Seehunds war. Der Anblick erschreckte mich fast wie beim ersten Mal, als ich an die Küste Island gespült wurde, nur dass ich jetzt wusste, es war Wirklichkeit und nicht meine Einbildung.
    Der Fluss strömte durch ein dunkles Land, das von tiefen Rinnsalen geschmolzener Lava zerfurcht war. Wo Fluss und Lava aufeinandertrafen, zischte und dampfte das Wasser. Außerdem erhöhte die Lava die Wassertemperatur, sodass es hier sogar angenehm war. Ich wurde von der Strömung mit einem Tempo von schätzungsweise siebzig Stundenkilometern mitgerissen und durch das Wasser geschleudert und gedreht.
    Als die Strömung allmählich nachließ, spürte ich, wie sich meine Beine voneinander lösten, sodass ich paddeln konnte. Ich spritzte und planschte mit zwei Beinen und stellte fest, dass ich wieder ein Mensch war. Dann überließ ich mich der starken Strömung des Flusses und nach einer Weile merkte ich: Es machte Spaß .
    Meine Wildwasserfahrt dauerte eine halbe Stunde. Ich trieb durch Schluchten und Engpässe, in denen Goldadern im roten Licht glänzten. Ich sah eigenartige Zeichnungen an den Wänden der Schluchten, die mich an die Höhlenmalereien erinnerten, die Schwester Mary mir aus einer Höhle in Frankreich gezeigt hatte. Einmal blieb ich an Felsen hängen, und da sah ich, dass sie mit Diamanten besetzt waren. Ich riss einen davon ab, dann stürzte ich mich mit einem ausgelassenen Schrei wieder in den Fluss.
    Fast jede Reise ist erfreulich, wenn sie zu einem Ort führt, an dem man gerne ist, und ich wusste immerhin, dieser Fluss würde mich zu Emma bringen.
    Schließlich wurde der Fluss

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