Das Vermächtnis von Erdsee
retten. Der Feind verfolgte ihn von Osten nach Westen und überzog alles mit einer Spur der Zerstörung. Auf der Hochebene von Enlad traf Morred die Gefährten, die ihm die Treue bewahrt hatten, hauptsächlich Seeleute, die ihm mit ihren Schiffen zu Hilfe geeilt waren. Er stellte sich seinem Gegner und eröffnete die Schlacht. Der Feind griff ihn nicht offen an, sondern schickte Morreds eigene, verhexte Soldaten in den Kampf gegen ihn, schlimmer noch, er schickte bösen Zauber, der die Körper seiner Männer ausdörrte, sodass sie »bei lebendigem Leib aussahen wie in der Wüste verdurstet und verdorrt«. Um seine Leute zu schonen, zog sich Morred zurück.
Als er vom Schlachtfeld ging, begann es zu regnen, und die Regentropfen malten den Wahren Namen seines Feindes in den Staub und Morred entzifferte ihn.
Nun, da er den Wahren Namen seines Feindes kannte, konnte er seine Zauber bannen und ihn aus Enlad vertreiben; er verfolgte ihn über die winterliche See, »er jagte ihn mit dem Westwind, mit dem Regenwind, mit der regenschweren Wolke«. Sie waren ebenbürtige Gegner und in ihrem letzten Kampf irgendwo draußen auf dem Meer von Ea kamen beide ums Leben.
In der Raserei seiner letzten Minuten ließ der Feind eine große Flutwelle aufsteigen und schickte sie eilends nach Solea, um es zu überfluten. Elfarran wusste davon, wie sie auch den Zeitpunkt von Morreds Tod wusste. Sie forderte ihr Volk auf, in die Boote zu steigen. Weiter heißt es in der Ballade: »Sie nahm ihre schmale Harfe zur Hand«, und in der Zeit des Wartens auf die Zerstörung, die nur Morred hätte abwenden können, verfasste sie das so genannte Klagelied für den Weißen Zauberer. Die Insel ging im Meer unter und Elfarran mit ihr.
Doch in einem geflochtenen Körbchen lag ihr Kind Serriadh wie in der Wiege, und es trieb auf dem Meer dahin und gelangte ans sichere Ufer. Darin lag auch Morreds Treuepfand, der Ring mit der eingravierten Rune für Frieden.
Auf den Landkarten des Archipels ist Solea gewöhnlich als weißer Fleck oder als Spirale eingezeichnet.
Nach Morred herrschten noch sieben Könige und Königinnen auf Enlad, und das Reich nahm beständig an Größe und Wohlstand zu.
Die Könige von Havnor
Anderthalb Jahrhunderte nach Morreds Tod verlegte König Akambar, ein Fürst aus Schelieth auf der Insel Weg, den Hof nach Havnor und machte Havnor-Großhafen zur Hauptstadt des Königreichs. Havnor war zentraler gelegen als Enlad und damit günstiger sowohl für Handelsbeziehungen als auch für die Formierung von Flotten zum Schutz der hardischen Inseln gegen Überfälle und Raubzüge der Kargs.
Die Geschichte der Vierzehn Könige von Havnor (genauer gesagt sechs Könige und acht Königinnen zwischen circa 150 und 400) wird im Lied Havnors erzählt; es beschreibt sowohl die weibliche als auch die männliche Geschlechterfolge. Durch Verheiratung mit verschiedenen Adelsgeschlechtern des Archipels konnte das Königshaus fünf Fürstentümer an sich bringen: das Haus Enlad, das älteste Fürstengeschlecht in direkter Abstammung von Morred und Serriadh; die Häuser Schelieth, Ea und Havnor und schließlich das Haus Ilien. Prinz Gemal Seeborn von Ilien war der Erste seines Hauses, der den Thron in Havnor bestieg. Seine Enkelin war Königin Heru; deren Sohn Maharion (er regierte 430-452) war der letzte König vor Anbruch der Finsteren Zeiten.
Die Epoche der Könige von Havnor war eine Zeit des Wohlstands, der Entdeckungen und der Machtentfaltung. Aber im letzten Jahrhundert dieses Zeitraums wurden die Überfälle der Kargs im Osten und die der Drachen im Westen häufiger und bedrohlicher.
König, Adel und Inselherren, denen die Verteidigung der Inseln des Archipels oblag, verließen sich, was die Abwehr von Drachen und kargischen Seeangriffen betraf, zunehmend auf Magier. Im Lied Havnors und in den Heldentaten der Drachenherrscher drängen denn auch die Namen und Taten jener Magier die der Könige mehr und mehr in den Hintergrund.
Der große Magier und Gelehrte Ath verfasste ein Lehrbuch, in dem er viel verstreutes Wissen zusammentrug, insbesondere über die Sprache des Erschaffens. Sein Buch der Namen begründete das Namengeben als wichtigen Bestandteil der magischen Künste. Ath ließ sein Buch bei einem Magier-Kollegen auf Pody zurück, als er im Auftrag des Königs nach Westen fuhr, um eine Horde Drachen zu bekämpfen oder zurückzudrängen, die auf den westlichen Inseln Viehherden auseinander trieb, brandschatzte und Bauernhöfe
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