Das Versprechen des Architekten
sollte.
Hören Sie uns überhaupt zu?, fragte der Vorarbeiter.
Aber da hatte mein fleißiges Rundfunkgerätchen schon zur Kenntnis genommen, dass die ganze Aktion des Kollektorenbaus in Brünn im Jahre 1973 eröffnet wordenwar, und zwar in der Dornych-Straße. Und ferner erfuhr das Gerätchen, dass es zwei Sorten von Kollektoren gibt, und zwar Primärkollektoren, das sind die, die Wasser aus Wasserwerken, Wärme aus Heizkraftwerken, Elektrizität aus E-Werken, Gas aus Gaswerken und Telefongespräche aus Fernsprechzentralen transportieren. Und dass der Durchmesser dieser Kollektoren 5 Meter beträgt und sie sich 20 bis 30 Meter tief unter der Erde befinden. Die Sekundärkollektoren sind hingegen die, die all das direkt in die einzelnen Häuser transportieren. Ihr Durchmesser beträgt etwa 3 Meter, und sie befinden sich lediglich 6 bis 7 Meter tief unter der Straßendecke.
Versorgungsnetze ohne Kollektoren, erklärte dann der Kollege des Vorarbeiters, haben ständig Beschädigungen aufgewiesen, wogegen wir die Kollektoren auch mit Sensoren und Detektorsystemen ausstatten, sodass man Havarien dort vorbeugen kann.
Das ganze Projekt des Kollektorenbaus, sagte der Vorarbeiter, während er sorgfältig den Wildragoutsaft auftunkte, geht von den bestehenden Trassen der Leitungen der Versorgungsnetze aus, und der Verlauf der einzelnen Bauten folgt direkt dem Straßennetz der Stadtverbauung.
Aber was sagen die historischen Gewölbe dazu?, fragte ich sie. Brünn ist angeblich teilweise unterkellert.
D’accord, sagte der Vorarbeiter. Viel mehr, als man bisher ahnte. Und er schob den leeren Teller weg und ging die Getränkekarte durch. Schließlich wählte er einen Sauvignon „Spätlese“. Brünn ist unterkellert, wer sollte das wissen, wenn nicht wir. Die Tiefe der Kollektorenstollen stimmt bis zu einem gewissen Maß mit der durchschnittlichenTiefe der historischen Gewölbe überein. Und oft erwischen wir sie bloß mit dem Rand eines unserer Stollen, und da nutzen wir dann die historischen Räumlichkeiten als technische Behelfsbauten. Aber manchmal passiert es uns auch, dass wir die Gewölbe aus statischen Gründen zuschütten, das heißt mit einer Zement- Schotter-Mischung, also Beton, ausfüllen müssen. Aber mitunter stoßen wir auch auf die sonderlichsten Kuriositäten.
Kann ich, Chef?, meldet sich der Kollege.
Du darfst alles, nickt der Vorarbeiter. Aber nur, wenn du dir zuerst deine fettige Schnauze abwischst. Und er reicht ihm eine Papierserviette.
Also auf die allerkurioseste Kuriosität sind wir vorläufig in der Běhounská gestoßen. Wir nennen sie die „große Tasche“.
Oder auch „Muff“ beziehungsweise „Stutzel“ – präzisiert der Vorarbeiter – falls Sie wissen, was das ist.
Zufällig ja, meldete ich mich. Als ich so groß war (ich hielt die Hand über den Boden), da hatten wir Muffe, einen Pelz- und einen Persianermuff, im Kleiderschrank hängen. Und ich weiß, dass ich mich ein klein wenig vor ihnen fürchtete, na eigentlich sehr fürchtete, weil es hieß, die Geister meiner beiden schon toten Großmütter würden in ihnen wohnen. In jedem Muff einer.
Bloß dass dieser superlange Muff, präzisierte der Vorarbeiter, an beiden Enden zugenäht ist. Und worauf will ich damit wohl hinaus? Und der Vorarbeiter stupste den Kollegen mit einem Finger: Mach schon, erzähl’s fertig!
Er will darauf hinaus, und er zeigte auf den Vorarbeiter, dass das ein langer unterirdischer Stollen ist, aber vonzwei Seiten her verschlossen, absolut unzugänglich. Er ist von der Größe eines Primärkollektors, das heißt ein wenig größer, und beginnt in der Běhounská, unter dem Haus Nummer 3–5, und endet erst am Rand des Freiheitsplatzes. Und dass er von beiden Seiten sorgfältig verschlossen ist, ist etwas sehr Ungewöhnliches. Wir haben reinzukommen versucht, mit allerlei Sonden, vergebens. Auch dass der Eingang zu diesem Stollen im Keller im Haus Nummer 3–5 sein kann, ist uns eingefallen. Aber wir haben dort nichts gefunden. Hineinzugelangen wird einmal eine harte Nuss sein, weil dieser Muff von innen ziemlich verfestigt ist.
Aber vorläufig ist das nicht unsere Sorge. Wenn’s einmal an die Reihe kommt, können wir’s natürlich öffnen, bemerkte der Vorarbeiter.
Und was könnte dort sein?, fragte ich, durchaus nicht unbegeistert davon.
Was wohl? Höchstwahrscheinlich ein Kühlraum, eine Speisekammer, so etwas wie eine riesige mittelalterliche Tiefkühltruhe. Wahrscheinlich wurde dort Fleisch
Weitere Kostenlose Bücher