Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das vierte Opfer - Roman

Das vierte Opfer - Roman

Titel: Das vierte Opfer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
Vom Netzwerk:
und natürlich eine gewisse Veranlagung, Gewaltverbrecher dingfest zu machen.
    Er nahm seine Aktentasche in die Hand und ging zum Hafen hinunter.
    Vierzehn Tonbandkassetten und drei Ordner.
    Das war das Material des Eggers-Falls. Er kippte alles auf dem Bett aus und zögerte eine Weile.
    Dann rief er in der Rezeption an und bestellte sich ein Bier. Nahm die Ordner unter den Arm und setzte sich mit ihnen auf den Balkon.
    Es dauerte ein paar Minuten, bevor er sich den Sonnenschirm
so hingedreht hatte, daß ihn die Abendsonne nicht blendete, aber nachdem er diese Nebensächlichkeit bewältigt hatte und nachdem das Mädchen mit dem Bier gekommen war, blieb er dort draußen sitzen, bis er jedes Wort gelesen hatte.
    Das Ergebnis war einfach und ließ sich wohl am besten mit Inspektor Moerks Worten ausdrücken: Man wußte rein gar nichts.
    Er freute sich nicht gerade darauf, die Tonbänder abzuhören. Unter normalen Umständen – wenn er in heimischen Gefilden gewesen wäre – hätte er natürlich zugesehen, daß sie abgetippt wurden, aber so, wie die Dinge lagen, war es wohl am besten, sich die Kopfhörer überzustülpen und keinen Aufstand zu machen... Trotzdem beschloß er, die Sache auf die Nacht oder den nächsten Morgen zu verschieben. Statt dessen nahm er sich den nächsten Mord vor und studierte die entsprechenden Zeitungsausschnitte. Er hatte vier Stück gefunden, zwei Artikel aus zwei verschiedenen Blättern und zwei Artikel aus der hiesigen Regionalzeitung.
    Die Landeszeitung protzte mit reichlich großen Überschriften, aber der Text war mager. Offensichtlich hatte man noch keinen Reporter hergeschickt... aber es war anzunehmen, daß er zur Pressekonferenz auftauchen würde. Der Leiter der Untersuchung, Kommissar Bausen, hatte sich zwar geäußert, wollte aber nicht mehr sagen, als daß die Polizei verschiedenen Spuren nachging.
    Ja, ja, dachte Van Veeteren.
    Das heimische Blatt hieß de Journaal und war um so ergiebiger.
    Bilder von Bausen, dem Fundort und dem Opfer... noch lebend. Und von Eggers. Die Überschrift auf der Titelseite lautete: »Der Henker schlägt wieder zu. Stadt in Angst und Schrecken.« Und weiter hinten in der Zeitung wurden unter anderem die Fragen gestellt: »Wer wird das nächste Opfer?« und »Ist die Polizeiführung kompetent?«

    Er überflog die Artikel und las den Nachruf auf Ernst Simmel; nach allem zu urteilen, ein guter Sohn der Stadt und ein Ehrenmann – Mitglied beim Rotary Club, Vorstandsmitglied im Fußballverein und stellvertretender Vorsitzender im Zentralbankrat. Er hatte früher noch weitere Ämter innegehabt, vor seinem Spanienaufenthalt... gerade erst zurückgekommen, und nun brutal ermordet.
    De mortuis... dachte Van Veeteren und warf die Zeitung auf den Boden. Was zum Teufel habe ich hier eigentlich zu suchen?
    Er zog sein Hemd aus und ging ins Bad. Wie hieß dieses Restaurant noch?
    Blaue Barke?
     
    Die Vermutung, daß die überregionale Presse auftauchen würde, erwies sich als wohlbegründet. Als Van Veeteren das Hotelfoyer durchquerte, stürzten zwei Herren mittleren Alters aus der Bar, die dicke Patina ihrer Zunft stand ihnen deutlich ins Gesicht geschrieben, und Van Veeteren blieb mit einem Seufzer stehen.
    »Hauptkommissar Van Veeteren! Cruickshank vom Telegraaf!«
    »Müller von der Allgemejne!« fügte der andere hinzu. »Ich glaube, wir haben uns schon mal gesehen...«
    »Mein Name ist Rölling«, sagte Van Veeteren. »Ich bin Reisender in Standuhren. Es muß sich um ein Mißverständnis handeln.«
    »Haha«, sagte Müller.
    »Wann können wir in Ruhe miteinander reden?« fragte Cruickshank.
    »Die Pressekonferenz im Polizeirevier ist morgen um elf«, sagte Van Veeteren und öffnete die Tür.
    »Leiten Sie oder Bausen die Untersuchungen?« fragte Müller.
    »Welche Untersuchung?« meinte Van Veeteren.

    Die Einrichtung in der Blauen Barke tendierte ins Rot. Die Bar war nicht einmal halbvoll, und auch im Restaurantbereich gab es noch genügend freie Plätze. Van Veeteren bekam einen Tisch ganz hinten im Raum, ziemlich abgeschirmt, aber er hatte noch nicht einmal mit dem warmen Gang begonnen, als ein dünner Herr mit feuchten Augen und einem nervösen Lächeln vor ihm stand.
    »Entschuldigen Sie. Schalke von de Journaal. Sie sind doch der Hauptkommissar, nicht wahr?«
    Van Veeteren antwortete nicht.
    »Ich war der letzte, der mit ihm geredet hat ... Bausen und Kropke haben mich natürlich vernommen, aber wenn Sie trotzdem mit mir reden wollen, stehe ich

Weitere Kostenlose Bücher