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Das vierte Protokoll

Das vierte Protokoll

Titel: Das vierte Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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so in allen Einzelheiten gekannt, wie sie später ruchbar wurde. Wochen, wenn nicht Monate vor Ausbruch des Skandals hatte er bereits Berichte über die Partys in Clivenden in Händen, über Stephen Ward, der die Mädchen beschaffte und genau Buch führte, über den sowjetischen Attache Iwanow, der sich mit Britanniens Verteidigungsminister in die Gunst desselben Mädchens teilte. Dennoch hatte Roger Hollis stillgehalten, während das Beweismaterial sich türmte, und nie, wie es seine Pflicht gewesen wäre, um eine Audienz bei seinem Premier Harold Macmillan nachgesucht.
    Macmillan war arglos in das offene Messer, das heißt in den Skandal, marschiert. Während des ganzen Sommers 1963 hatte die Affäre geschwelt und geschwärt und England im In- und Ausland Schaden zugefügt, ganz als hätte Moskau das Drehbuch geschrieben.
    Noch nach Jahren wurden hitzige Debatten geführt: War Roger Hollis ein schlafmütziger Versager gewesen? Oder etwas viel, viel Schlimmeres?
    »Ach, Scheiße!« knurrte Preston und verscheuchte seine Gedanken. Er las die Notiz noch einmal.
    Sie kam vom Leiter von B.4 (Beförderungen) persönlich und eröffnete ihm, daß er mit sofortiger Wirkung versetzt und zum Leiter von C.1. (A) befördert sei. Es war in jenem Ton jovialen Wohlwollens gehalten, der den Schlag abmildern sollte.
    »Nach Ansicht des Generaldirektors würde es eine große Hilfe sein, wenn alle freigewordenen Posten mit Jahresbeginn besetzt wären... sehr verbunden, wenn Sie sämtliche noch laufenden Vorgänge baldmöglichst erledigen und dem jungen Maxwell übergeben könnten, tunlichst schon in den nächsten Tagen.. meine aufrichtigen guten Wünsche für viel Erfolg auf Ihrem neuen Posten..«
    Bla, bla, bla, dachte Preston. C.1 war, wie er wußte, Personen- und Objektschutz bei den Regierungseinrichtungen, und Abteilung A hieß in London. Er würde für die Sicherheit aller Ministerien Ihrer Majestät in London verantwortlich sein.
    »Verdammter Polizistenjob«, fauchte er und fing an, sich telefonisch von den Leuten seines Teams zu verabschieden.
    Eine Meile entfernt öffnete Jim Rawlings die Tür eines kleinen, aber exklusiven Londoner Juweliergeschäfts in einer stillen Straße, keine zweihundert Yards vom Verkehrslärm der Bond Street entfernt. Der Laden war dunkel, aber das Licht der wenigen Lampen fiel auf Schaukästen mit georgianischem Silber, und in den erleuchteten Vitrinentheken schimmerten Juwelen aus vergangenen Zeiten. Das Haus spezialisierte sich offensichtlich mehr auf alte Stücke als auf modernen Schmuck.
    Rawlings trug einen adretten dunklen Anzug sowie ein Seidenhemd mit dezenter Krawatte und hatte ein mattglänzendes Diplomatenköfferchen bei sich. Die junge Dame hinter dem Ladentisch sah auf und maß ihn mit einem wohlgefälligen Blick. Mit seinen sechsunddreißig Jahren wirkte Rawlings schlank und sportlich und verkörperte jene Mischung aus Gentleman und hartem Burschen, die immer ankommt. Sie streckte die Brust heraus und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln.
    »Sie wünschen?«
    »Ich möchte Mr. Zablonsky sprechen. Persönlich.«
    Sein Cockneyakzent verriet, daß er kaum Kunde sein dürfte. Ihr Lächeln erlosch.
    »Sind Sie Vertreter?« fragte sie.
    »Sagen Sie nur, Mr. James möchte ihn sprechen«, sagte Rawlings.
    In diesem Augenblick öffnete sich die Spiegeltür im Hintergrund des Ladens, und Louis Zablonsky erschien. Er war ein kleiner dürrer Mann von sechsundfünfzig Jahren, sah jedoch älter aus.
    »Mr. James«, strahlte er, »wie nett, Sie zu sehen. Bitte kommen Sie in mein Büro. Wie geht's immer?« Er komplimentierte Rawlings hinter den Ladentisch und in sein Allerheiligstes. »Alles in Ordnung, meine liebe Sandra.«
    Als sie das kleine vollgestopfte Büro betreten hatten, schloß und verriegelte Zablonsky die spiegelbelegte Tür, durch die man in den Laden sehen konnte. Er bot Rawlings den Sessel vor dem altmodischen Schreibtisch an und setzte sich selber auf den Drehstuhl dahinter. Ein einzelner Strahler warf sein Lichtbündel auf die Schreibunterlage. Zablonsky beäugte Rawlings scharf.
    »Also, Jim, worum geht's?«
    »Ich hab' was für Sie, Louis, und es wird Ihnen gefallen. Reden Sie mir bloß nicht ein, es wär' Tinnef.«
    Rawlings ließ den Diplomatenkoffer aufschnappen. Zablonsky breitete die Hände aus.
    »Jim, hab' ich je -?« Die Worte blieben ihm im Halse stecken, als er sah, was Rawlings auf die Schreibunterlage dekorierte. Als alle Stücke ausgepackt waren, starrte er sie

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