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Das vierte Protokoll

Das vierte Protokoll

Titel: Das vierte Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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wie er in seiner Eigenschaft als stellvertretender Chef des Beschaffungsamts mit besonderer Verantwortung für Nuklearwaffen einem Lagevortrag beigewohnt hatte, den der Generaldirektor von Ml5, Sir Bernard Hemmings, im kleinsten Kreise abhielt.
    Der Abwehrchef hatte der kleinen Gruppe mitgeteilt, daß seine Dienststelle die Existenz und fast alle Einzelheiten eines sowjetischen Plans entdeckt habe, wonach eine kleine Atombombe in einzelnen Bestandteilen nach England geschafft, dort zusammengebaut und zur Detonation gebracht werden sollte. Und das dicke Ende: MI5 war dem russischen Illegalen, der die Operation in England durchführen sollte, auf den Fersen und hoffte, ihn zusammen mit allem nötigen Beweismaterial zu erwischen.
    Da General Karpow die Quelle als zuverlässig kannte, hatte er den Bericht von A bis Z geglaubt. Die Versuchung war groß, den Engländern freie Hand zu lassen; aber er wußte, daß es katastrophale Folgen hätte. Wenn die Briten allein und ohne fremde Hilfe zurechtkämen, bestünde für sie keine Verpflichtung, den haarsträubenden Skandal zu unterdrücken. Um diese Verpflichtung zu schaffen, mußte er eine Botschaft schicken, und zwar an einen Mann, der wissen würde, was zu tun sei, an jemanden, mit dem er über die große Kluft hinweg verhandeln könnte.
    Dann war da noch die Frage, was für ihn dabei herauskäme... Nach einer langen einsamen Wanderung in den frühlingsgrünen Wäldern von Peredelkino hatte er beschlossen, das gefährlichste Spiel seines Lebens zu wagen. Er hatte beschlossen, dem Privatbüro von Nubar Geworkowitsch Wartanjan einen diskreten Besuch abzustatten.
    Er hatte seinen Mann mit großer Umsicht gewählt. Der Vertreter Armeniens im Politbüro galt als der Kopf der Gruppe innerhalb des Politbüros, die insgeheim fand, daß ein Wechsel an der Spitze fällig sei.
    Wartanjan hatte ihn ausreden lassen, da er sicher war, daß man im Büro eines Mannes von seinem Rang keine Wanzen angebracht hatte. Er starrte den KGB-General nur aus seinen schwarzen Augen an und hörte zu. Als Karpow fertig war, hatte er gefragt: »Sind Sie sicher, daß Ihre Information stimmt, Genosse General?«
    »Ich habe alles, was Professor Krilow mir erzählte, auf Band«, sagte Karpow. »Das Gerät steckt in meiner Aktenmappe.«
    »Und die Information aus London?«
    »Die Quelle ist einwandfrei. Ich habe den Mann fast drei Jahre lang persönlich geführt.«
    Der armenische Makler an der Machtbörse sah ihn lange Zeit an, als müsse er sich vieles überlegen, nicht zuletzt, wie diese Information nutzbringend zu verwenden sei.
    »Wenn es stimmt, was Sie sagen, so herrschen bei der Führung unseres Landes Unbesonnenheit und Abenteurertum. Wenn man Beweise hätte - aber Beweise müßten erbracht werden -, könnte es an der Spitze einige Veränderungen geben. Leben Sie wohl.«
    Karpow hatte begriffen. Wenn der Erste Mann Sowjetrußlands stürzen würde, so müßte seine gesamte Mannschaft mit ihm stürzen. Veränderungen an der Spitze würden bedeuten, daß die Stelle eines Vorsitzenden des KGB frei würde, eine Stelle, die Karpow seiner Ansicht nach trefflich ausfüllen könnte. Aber um seine Anhänger in der Partei zu einer gemeinsamen Aktion zu bewegen, brauchte Wartanjan Beweise, noch mehr Beweise, solide, stichhaltige, greifbare Beweise dafür, daß diese Unbesonnenheit Rußland an den Rand der Katastrophe gebracht hatte. Niemand hatte je vergessen, wie Mikhail Suslow im Jahr 1964 Chruschtschow stürzte, indem er ihn des Abenteurertums in der Kubakrise von 1962 bezichtigte.
    Kurz nach dieser Unterredung hatte Karpow Winkler nach England geschickt, die größte Flasche unter seinen Agenten, die er auftreiben konnte. Seine Botschaft war empfangen und verstanden worden. Jetzt hielt er den Beweis in Händen, den sein armenischer Gönner brauchte. Wieder blätterte er die Dokumente durch.
    Der Bericht über das angebliche Verhör und Geständnis Major Valeri Petrofskis mußte noch ein wenig zurechtgerückt werden, aber er hatte Leute draußen in Jasjenewo, die das erledigen könnten. Die englischen Protokollformulare über das Verhör waren absolut echt, und darauf kam es an. Sogar Mr. Prestons Erfolgsberichte - aus denen zweckdienlich jede Erwähnung Winklers getilgt worden war - waren Fotokopien der Originale.
    Der Generalsekretär persönlich würde weder in der Lage noch willens sein, den Verräter Philby zu retten, und später würde er nicht einmal mehr in der Lage sein, sich selber zu retten.

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