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Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]

Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]

Titel: Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Sons
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ihrer Mitte. Kannst von Glück sagen, dass die Schreie der Bootsleute Lori und mich angelockt haben.«
    Glück? Laut schluchzte sie auf. Ramon, Korve, Danid, die Flussleute – alle tot! Meister Cato – Gefangener Camoras!
    »Es kommt, wie es kommt, Mädel! Da sind wir manchmal machtlos. Ich mach was zu essen. Kein Grund für uns, zu hungern.«
    Marga war froh, mit ihrer Trauer allein zu sein, und starrte blicklos an die hölzerne Decke mit all ihren Spinnweben.
    Nach einiger Zeit fiel ein Schatten über sie. Der Alte stellte eine Schale mit dampfender Suppe auf ein Tischchen neben dem Bett, hob sie behutsam an und schob ihr einige Kissen in den Rücken. »Geht es so, Mädel?«
    Dieses Mädel ärgerte sie maßlos, schließlich war sie immer noch Kriegerin. »Ja, danke! Im Übrigen heiße ich Marga, Hauptmann Marga Thalissen! Darf ich auch erfahren, wer Ihr seid?«
    »Ein Hauptmann ist das Mädel! Ist das zu glauben? Ich bin Raoul, vor Urzeiten General der Horden, Vernon Raoul .«
    »Ihr seid ein General Camoras?«
    Das ledrige Gesicht verzog sich spöttisch. »Ich war ein General Camoras. Hat mir nicht mehr gefallen, hab meinen Abschied genommen.«
    Der Weise war verloren, ihre Begleiter tot, und sie war nicht nur gescheitert, sondern auch noch bei einem ehemaligen Hordengeneral gelandet. Verarbeiten konnte sie das alles nicht. Wie Fetzen zogen die Gedanken an ihr vorbei, und sie war nicht in der Lage, sie festzuhalten.
    »Hier war ein Wolf«, sinnierte sie, eher zu sich selbst.
    »Ich habe meine Laufbahn als Wolfsjäger begonnen und habe immer noch drei. Alte Gewohnheit, nur ist Lori mittlerweile zahm wie ein Hund. Jetzt iss etwas, Mädel!« Aufmunternd nickte er ihr zu.
    Doch in ihrem nur halb arbeitenden Hirn hatte sich zumindest ein Gedanke festgesetzt. »Ich muss meinem Vater eine Nachricht bringen. Er muss schnellstens wissen, dass Camora den Weisen der Berge hat!«
    Der Einäugige schmunzelte und schüttelte den Kopf. »Mädel, Mädel! Du könntest vielleicht allein deine Suppe essen, wenn ich zuließe, dass du dich überanstrengst. Reisen kannst du nicht. Weder heute noch morgen! Alles hat seine Zeit. Für dich ist jetzt die Zeit, gesund zu werden. Du hast ein Loch im Bauch, da hätte ich meine Hand reinstecken können. Hab ich natürlich nicht gemacht, aber reisen kannst du damit nicht. Das steht fest!«
    »Könntet Ihr Fürst Darius dann die Nachricht bringen?«, flehte sie. »Sie ist dringend.«
    »Was heute alles Hauptmann wird?! Bist du bei Verstand? Ich muss dich pflegen, ich kann jetzt auch nicht reisen. Dein Vater wird ohnehin längst Bescheid wissen. Nicht nötig, sich aufzuregen!«
    Marga sah ihn verzweifelt an. »Ich werde Euch ein Geheimnis anvertrauen, das Euren Sinn ändern wird. Es geht nämlich um die Prophezeiung. Dieser fette Alte war einer der Siegelerben. Es ist lebenswichtig, dass mein Vater so schnell wie möglich handeln kann.«
    Er nahm die Suppenschale und hielt ihr einen Löffel vor den Mund. »Ist mir bekannt. Iss Mädel, rede nicht so viel!«
    In der nächsten Zeit konnte sie nur noch kauen und schlucken. Sie hätte noch nicht einmal sagen können, ob sie Wildeintopf oder Hirsebrei aß, denn sie aß nur notgedrungen, ohne jeden Hunger und ohne jeden Geschmack. Endlich war die Schale leer, und Marga versuchte es umgehend erneut. »Es geht doch um die Reiche. Bitte, General, Ihr müsst etwas tun! Was aus mir wird, ist nebensächlich. Es …«
    Er legte ihr die Hand auf den Arm und unterbrach sie. »Ruhig Blut! Ihr jungen Leute seid immer viel zu aufgeregt. Nur selten ist Schnelligkeit gefragt. Überlegung täte euch gut! Der Einzige, der unersetzbar ist, ist der Erbe der Kraft, denn vom da’Kandar-Geschlecht ist, wenn überhaupt, nur noch einer übrig. Nebelprinzessinnen gibt es reichlich, und der Weise lebt doch noch. Nichts ist verloren, nur einiges muss neu überdacht werden. Ich geh die Wölfe füttern. Wenn du keinen mehr zuquatschen kannst, beruhigst du dich vielleicht schneller.« Bei diesen Worten klopfte er ihr auf die Schulter und ging.
    »Bleibt General, bitte!«, rief sie ihm mit drängender Stimme nach.
    »Nur Raoul, Mädel! Den General gibt es längst nicht mehr!« Er verschwand nach draußen.
    Marga starrte eine Weile vor sich hin, und Tränen verschleierten ihren Blick: Alles war verloren, weil sie versagt hatte. Warum hatte sie der General retten müssen? Nur, damit sie sich ihr Leben lang Gedanken darüber machen konnte, warum ausgerechnet sie versagt

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