Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]
Tod unterhalten. Sie war sehr ungehalten darüber, wenn ich mich nicht irre.«
Die Tür schloss sich, und Caitlin sackte weinend in Hylias Armen zusammen. »Das ist so grauenhaft, das ist noch viel schlimmer als seinerzeit bei Ligurius, das ertrage ich einfach nicht noch einmal. Ich glaub, ich muss mich übergeben.«
»Nein, musst du nicht. Atme tief durch!«
»Ich kann nicht. Es tut mir leid, Hylia«, jammerte sie unglücklich.
Die Priesterin erwiderte umgehend, während sie ihre Begleiterin mit sich zog: »Es tut dir leid? Das sollte es auch. Du bist doch wirklich das undankbarste Geschöpf, das ich kenne.«
Die Prinzessin schwankte immer mehr und atmete immer schwerer. Immer wieder blickte sie sich dabei sehnsuchtsvoll um, und es hatte ganz den Anschein, als wollte sie kehrtmachen.
Hylia brach der Schweiß aus, und sie versuchte, ihren Schritt zu beschleunigen. Was ihr allerdings nicht gelang, weil auch sie mit ihren Kräften am Ende war. »Caitlin, sieh nicht zurück und reiß dich zusammen! Du wirst bald in einem warmen Bett liegen, eine leckere Brühe trinken, und alles wird dann wieder gut.«
»Ich habe Blut an den Händen und an meiner Kleidung. Das Kind … Hylia …«
»Ganz ruhig, Kleines. Das ist nicht dein Blut.«
Sie sah auf ihre nur noch torkelnde Begleiterin, spürte die unglaubliche Hitze und änderte den Tonfall. Jedes Mitgefühl verschwand sofort daraus. »Du solltest nicht immer nur an dich denken, meine verwöhnte Prinzessin. Dein Mann kam geradewegs vom Schlachtfeld und vom anschließenden Zweikampf gegen Camora, der als ausgesprochen fähiger Kämpfer galt. Er hat Wunden davongetragen, die offensichtlich noch nicht verheilt sind, da keine Priesterinnen dort waren. Das ist dir natürlich völlig entgangen, denn du warst ja nur mit dir und deinem eigenen Leid beschäftigt. Soll er sich doch noch schuldig fühlen, weil er sich nicht zerreißen kann. Lass dich richtig gehen, meine Kleine! Was glaubst du, wie unglaublich es seine Schuldgefühle noch vergrößern würde, wenn du jetzt euer Kind verlierst. Du kannst mich ausgerechnet jetzt nicht allein lassen … genau das wären auch meine Worte gewesen, um jemandem zu danken, der gerade sein Leben für meins angeboten hat.«
»Hab ich das gesagt?«
»Ja, du dumme Gans.«
»Hylia, das wollte ich nicht.« Erneut liefen Tränen über Caitlins Gesicht. »Ich …«
»Dein Bedauern nützt ihm jetzt nicht mehr«, unterbrach die rücksichtslos. »Gesagt ist gesagt, aber vielleicht lenkt ihn der Gedanke daran, dich in deiner ach so schweren Zeit allein gelassen zu haben, ja von seiner eigenen Lage als Gefangener ab.«
Ihre Freundin schluchzte laut auf. »Ich wollte das wirklich nicht und wusste gar nicht, was ich sage. Und jetzt kann ich nichts mehr ändern.«
»Doch, du kannst!«
Sie blieb stehen, packte die Prinzessin bei den Schultern, sah sie beschwörend an und erklärte: »Es steht nicht gut um dich, Kleines. Es steht sogar sehr schlecht. Du hast hohes Fieber und kaum noch die Kraft, es zu überwinden. Wenn du verhindern willst, dass Rhonan sich sein Leben lang mit Schuldgefühlen plagt, dann wirst du jetzt kämpfen müssen. Du wirst ruhig und tief atmen, du wirst dich entspannen und dich voll und ganz den Aufgaben widmen, am Leben zu bleiben und dein Kind zu behalten. Denke nicht an heute oder morgen, denke nicht an Kerker, den gefangenen Rhonan oder die Nebelinsel, denke nur an eure schöne gemeinsame Zukunft mit vielen, vielen Kindern. Denke an bunte Schaukelpferde mit lustig klingelnden Glöckchen und an heiße Nächte, in denen immer wieder mit aller Hingabe von Rhonan und lautem Getöse von dir für weiteren Nachwuchs gesorgt wird. Denke an starke Arme, die dich dein Leben lang halten und schützen werden, und an kleine Hände, die du eine Weile führen und leiten musst. Du hast einen Traum … Ihr habt einen wunderbaren Traum. Dein Mann tut alles, um ihn zu verwirklichen. Hilf ihm dabei!«
Caitlins glasiger Blick flackerte immer noch, aber sie straffte sich spürbar. »Das werde ich. Ich werde alles dafür tun, Hylia. Weißt du, ich liebe ihn so sehr, und ich darf ihn nicht allein lassen, weil er ohne mich nicht zurechtkommt.«
»Ich weiß. Er rasiert sich dann nicht und verwahrlost.«
Ein kleines, fast geisterhaftes Lächeln huschte über ihr eingefallenes Gesicht. »Ja, das auch. Ich liebe dich, Hylia. Hilf mir bitte!«
»Ich muss wahnsinnig sein, aber ich liebe dich auch. Und du weißt genau, dass ich dir immer helfen
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