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Das vierte Skalpell

Das vierte Skalpell

Titel: Das vierte Skalpell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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Mordhöhle gefaßt.«
    »Ja.« Evelyn hielt seine Hand fest.
»Sie müssen kommen. Ich danke Ihnen auch.«
    »Nicht nötig«, sagte er. Sein Gesicht
lag im Dunkel, und wir konnten es nicht sehen. »Viel Spaß heute nacht.
Wiedersehen!«
    Dann ging er, und seine Schritte
erstarben.
     
     
     

XXII
     
    Viel bleibt nicht mehr zu erzählen.
    Das Fest der damischen Ritter hatte es
in sich.
    Ich fiel bei weitem nicht so auf, wie
ich befürchtet hatte. Es waren noch viel damischere Typen da. Herzog Kasimir
paßte kaum durch die Türen.
    Evelyn pumpte beim Tanzen das letzte
bißchen Kraft aus mir heraus. Was der Panzer und Ruschke nicht geschafft
hatten, sie schaffte es. Ich trank gigantische Mengen von Bier und schwitzte
sie wieder aus.
    Jetzt erst bemerkte ich, was Evelyn
anhatte, und wie schön sie war. Sie ging als maurische Sklavin. Das Haar war
glatt in die Stirn gekämmt, ohne die kleinen Hörner an den Ecken. Das Gesicht
umhüllte ein Schleier, aber er war so dünn, daß ich ihre Lippen trotzdem spüren
konnte. An den Ohren hingen goldene Sterne. Sie trug ein weißseidenes Gewand,
das kurz genug war, um die Beine freizulassen. Sie waren mit Kakao beschmiert
und unheimlich schön. Das Kleid war mit Halbmonden und kleinen Moscheen
beklebt.
    »Weib, ich habe dich erbeutet«, sagte
ich. »Wenn ich nicht im Augenblick so knapp wäre, würde ich dich behalten. So
aber werde ich dich an den Amtmann verkaufen.«
    Wir entdeckten ihn in einer Ecke, nahe
dem Ausschank. Er hatte einen goldenen Bart umgehängt und trug ein Paar
gewaltige Sporen. Dazwischen saß eine Frackweste auf der nackten Brust und eine
kurze, schmierige Lederhose. Auf seinem Schoß ruhte sich ein leichtgeschürzter,
weiblicher Page aus. Er hatte die Arme um ihn geschlungen, wie ein Krake um
einen Perlenfischer.
    »Man sollte seiner Frau eine kleine
Freude machen«, sagte ich. »Sieh mal hoch, ob ein Fotograf in der Nähe ist.«
    Wir gingen hin und begrüßten ihn. Er
ließ ein paar Bier kommen.
    »A so a Gaudi«, sagte er. »Wenn nur die
G’schicht’ net wär, die saudamische!«
    »Macht euch keine Sorgen, edler
Ritter«, sagte ich. »Die G’schicht’ ist zu Ende.«
    Er starrte mich an wie einen
Schwachsinnigen. Ich wartete, bis zwei verwilderte Recken die Mädchen zum
Tanzen entführten, und erzählte ihm dann kurz, was los war. Er glaubte nicht
recht zu hören.
    »Sakradi, Sakradi«, sagte er ein ums
andere Mal. »Is des wahr?«
    »Bei Herzog Kasimirs Bart.«
    Er mußte sich erst mal erholen. Dann
bestellte er Enzianrunden in schneller Folge. Als die Mädchen wieder zu uns
stießen, sah ich alles wie durch rote Gelatine und hatte Leichtmetallbeine. Der
Wirbel wurde wilder und wilder. Ich vergaß den Harnisch und den Ärger der
letzten Wochen.
    Um fünf Uhr gingen wir.
    Evelyn trug den Pelzmantel über dem
Sklavenkleidchen, und ich hatte die Beinschienen über die Schulter gehängt. Im
Donisl tranken wir Kaffee und aßen Weißwürste. Zum Nachtisch küßte sie mich,
daß ich Herzbeschwerden bekam.
    »Würdest du dich an einen Ungläubigen
gewöhnen können, edle Sarazenin?« fragte ich.
    »Ich würde mich sogar taufen lassen«,
sagte sie leise.
    »Allah wird dich in alle vier Winde
zerstäuben.«
    »Trotzdem.«
    Wir fuhren mit einem Taxi zu ihrer
Wohnung. Unterwegs lag ihr dunkler Kopf an meiner eisernen Brust, und ich
kraulte ihr Haar.
    Wir stiegen aus und blieben in der
Haustür stehen.
    »Kommst du heute abend auf meine Burg
und erzählst mir was aus Tausendundeiner Nacht?« fragte ich.
    »Ja, edler Herr.«
    Ich wartete, bis sie aus ihrem Fenster
winkte. Dann wandte ich mich und ging.
    Eine freundliche Sonne kletterte über
die Türme von München. Die Luft war sauber und ruhig.
    Ich marschierte in leidlicher Haltung
durch die Straßen, matt, aber glücklich.
    Alles war gut, und ich hatte Evelyn.
Sie war mein Trostpreis für den ganzen Ärger. Heute abend würde sie zu mir
kommen, in meine Wohnung, auf der nun keine Drohung mehr lastete.
    Wie gut, daß ich nicht in Anita
Rohnstedts Ersatz fürs eigene Heim gelandet war. Der Ärger mit ihr wäre
womöglich noch größer gewesen.
    Alles, was ich sah, kam mir heller und
strahlender vor als sonst. Eine Laune hatte ich, wie seit Jahren nicht mehr.
    Und immer, wenn mir ein anderer
Benebelter entgegenschwankte, hob ich den Klosettbürstenspeer zum Gruß.
     
    ENDE

 

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