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Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)

Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)

Titel: Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shani Boianjiu
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gesprungen sind. Avishag hatte vielleicht zehn Sekunden lang zwei Balken, aber das hat nicht gereicht, um jemanden anzurufen. Dann ist ein Balken daraus geworden, und das hat sich nicht mehr verändert.
    Wir waren schon beim Lebensmittelladen, aber da war kein Empfang, also haben wir eine Schachtel Marlboro und Gummibärchen gekauft und sind zum Geldautomaten gelaufen, aber da war kein Empfang, also sind wir zu dem kleinen Park gelaufen, aber da war auch kein Empfang, und jemand hatte auf die einzige Schaukel gekotzt, die groß genug für zwei ist, also sind wir gar nicht erst dageblieben, und dann gab es keinen anderen Ort im Dorf, wo wir hingehen konnten.
    »Ehrlich gesagt, weiß ich es nicht von Noam und Yochai«, sagt Avishag. »Dan hat es mir erzählt. Er redet wieder mit mir. Also zumindest hat er mir gesagt, dass man beim Handymast Empfang hat.«
    Ich sehe Avishag nicht an, nachdem sie das gesagt hat. Ich würde sie gern fragen, ob Dan reingekommen ist und in das Notizbuch geschrieben hat, lasse es aber lieber bleiben.
    Der Handymast. Na klar. Manchmal denke ich, ohne Leute wie Dan würde das ganze Dorf sterben, so dumm sind wir.
    Was ist Liebe
    Ich habe beschlossen, in meinem ganzen gesamten Leben nur einen Jungen zu lieben: Avishags Bruder Dan. Seit ich zwölf war, habe ich denselben Freund gehabt, Moshe, aber das ist nicht ganz fair, weil ich nicht wirklich beschlossen habe, ihn zu lieben. Er war ein Freund der Familie und hat mich mit Äpfeln beworfen, also hatte ich eigentlich keine Wahl. Vor zwei Wochen haben wir uns getrennt. Vor neun Wochen haben wir uns auch schon mal getrennt. Jetzt ist er sowieso seit sechs Monaten bei der Armee. Dan hat das alles schon hinter sich.
    Früher hatte Dan immer so einen Test. Darum habe ich beschlossen, ihn zu lieben. Der hat ihn total verrückt gemacht, dieser Test.
    Ganz am Ende der Jerusalemer Straße, da hat man in unserem Dorf eine Aussicht. Eine Aussicht auf die ganze Welt und noch viel mehr. Echt, ohne Scheiß. Von dem winzigen Hügel schaut man auf vier Berge, wo immergrüner mediterraner Wald nur so explodiert, und auf ausgebreitete Decken roter Anemonen und auf Kissen lilafarbener Anemonen und auf Kreise von weißen Gänseblümchen. Außerdem auf kleine Höhlen, geschützt von Weidenzweigen, da hinzusehen, das tut fast weh. Als würde man die Kinder anderer Leute auf der anderen Straßenseite sehen.
    Und natürlich stehen ganz am Ende der Jerusalemer Straße Bänke, und man müsste meinen, man könnte dort sitzen und die Aussicht genießen, nur dass das nicht geht. Weil man dann die Aussicht im Rücken hätte und auf Haus Nummer 24 in der Jerusalemer starren würde und nichts als die zum Trocknen aufgehängte Unterwäsche vor der Nase hätte und eine verwaiste Hundeleine auf gelbem Gras und die Komposttonne draußen unterm Vordach.
    Und Dan, der nahm Leute mit dorthin, und dann fragte er, was stimmt nicht mit dem Bild was stimmt nicht was stimmt nicht , und keiner konnte es ihm sagen und er wurde wütend, wurde laut und dann sagte er, wenn es Leute wie ihn nicht gäbe, würde das ganze Dorf krepieren, so dumm wären wir. Er kann überheblich sein. Und egal, wen er von unten aus dem Dorf dorthin geschleppt hatte – einen Klassenkameraden, einen Bekannten der Mutter, die Schwester, die jüngere Schwester –, der Betreffende saß da, starrte eine Weile auf das gelbe Gras von Haus 24 und sagte dann: »Das versteh ich nicht. Du hast doch gesagt, du willst einfach nur abhängen.« Aber ich verstand es.
    In der siebten Klasse kam ich von Avishag und wollte nach Hause, da kam Dan hinter einem Olivenbaum hervorgesprungen. Über ihm importierte Laubbäume und Vögel, und die Vögel waren unsichtbar, aber sie sausten um ihn herum, sodass Lichtpunkte um ihn tanzten – wie in einer Disko. Er kam einen Schritt näher. Und dann noch einen. Auf seiner linken Wange lagen zwei Wimpern, ich sah sie, so dicht stand er vor mir. Verlegen schaute ich auf den Boden und merkte, dass seine Füße nackt und lang waren. Weil ich nervös war, schnippte ich mit dem Daumen die Haut unter meinem Kinn nach vorn. Er war so groß, genau wie Avishag. Oder vielleicht war ich auch klein.
    »Hast du Lust abzuhängen?«, fragte er.
    Auf der Bank war ich dann einen Augenblick lang müde. Um ihn nicht anzusehen, drehte ich mich immer wieder von ihm weg, damit er nicht merkte, wie aufgeregt ich war, und damit mich etwas anderes Schönes ablenkte. Und plötzlich hab ich’s kapiert.
    »Da kommt

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