Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)
ugandische Soldaten starben. Zwei Tage später starben Hunderte von Kenianern, weil Idi Amin wütend war, dass sie die Israelis hatten tanken lassen. Sie hatten die Israelis nicht tanken lassen; sie waren bloß Menschen und Kenianer, und dann waren sie tot. Als der Krieg zwischen Uganda und Tansania 1979 zu Ende ging und Idi Amin verschwunden war, fand man die Leiche von Dora, der Frau, die fast an ihrem Essen erstickt wäre und ins Krankenhaus gebracht worden war. Sie fanden die vergrabene Leiche auf einer Zuckerrohrplantage dreißig Kilometer vom Krankenhaus in Kampala entfernt. Ugandische Soldaten hatten sie ein paar Stunden nach Ende der Befreiungsaktion aus dem Krankenhausbett gezerrt. Ihr ugandischer Arzt und zwei Krankenschwestern wollten sie aufhalten, und da schossen die Soldaten auf sie und ließen die Sterbenden im Flur liegen. Dora erschossen sie, nachdem sie sie in den Kofferraum gelegt hatten. Sie erschossen sie, unmittelbar bevor bei meiner Mutter das rote Telefon klingelte.
Früher glaubte ich, meine Mutter lebe nur für mich.
Die Befreiungsaktion von Entebbe war die erfolgreichste Geiselbefreiung der Geschichte. Armeen orientierten spätere Rettungsmissionen an ihr, scheiterten aber aus Gründen, für die sie nichts konnten. Die erste gescheiterte Nachahmung war die Operation Abendlicht im Iran zehn Jahre vor meiner Geburt. Die Amerikaner hatten überhaupt keine Chance. Flugzeuge hatten nicht genug Treibstoff, kollidierten mit Helikoptern und explodierten, und andere hatten Ersatzteile in zu weit entfernten Ländern vergessen. Am Ende starben Menschen. Dann gab es einen Gefangenenaustausch. Ich würde gerne sagen, dass ich mir, bevor ich zur Armee ging, die Tochter der Amerikanerin vorstellte, die in einem Tower saß und einen amerikanischen Koch anweisen musste, Sandwichs für den Gefangenenaustausch vorzubereiten, und der es egal war, ob er sie vergiftete oder nicht, aber in Wahrheit hatte ich solche Angst, dass ich nur meine Fingerspitzen sah und nur an mich dachte.
»Mama. Ich habe Angst. Ich habe Angst vor der Armee.«
»Wovor hast du denn Angst? Du bist achtzehn, Yael. Alle deine Freundinnen sind schon eingezogen worden und haben keine Angst.«
»Vor den Möglichkeiten. Vor allem, was passieren könnte.«
»Was denn?«
»Wie hast du den Koch überzeugt, die Sandwichs nicht zu vergiften? Sag’s mir. Erzähl es mir, wie du es noch nie erzählt hast.«
»Wovon redest du überhaupt? Ich hab’ bloß Anweisungen befolgt«, sagte meine Mutter. Manchmal sagte sie etwas, als hätte sie noch nie anders gesprochen.
»Ich habe Angst, gesprengt zu werden, wenn sie mich einem Checkpoint zuteilen.«
»Das ist dem einen Soldaten nur passiert, weil er seine Befehle nicht befolgt hat. Es gibt einen Typ Soldat, der sich einfach nicht an Befehle hält. Er war bei dem Palästinenser, den er zu kontrollieren hatte, einfach nicht vorsichtig genug. Befolge deine Befehle, und dir passiert nichts.«
»Woher weißt du das mit dem Soldaten? Woher weißt du, dass er nie Befehle befolgt hat?«
»Das hat Dahlia erzählt. Die blonde Frau, mit der ich gedient habe. Ich hab’ jahrelang nichts von ihr gehört, aber dann hat sie angerufen und sich erkundigt, was es hier für Jobs gibt. Und ihre Tochter hat mit dem Jungen gedient. Sie hat gesehen, dass er immer nachlässiger geworden war.«
Früher hatte sie aber immer wieder gesagt, die Blondinen, beide Blondinen, hätten nur Söhne bekommen. Manchmal sagte sie Sachen, die unmöglich waren, und ich hielt sie für möglich, bis ich das nicht mehr glauben konnte.
Früher habe ich geglaubt, meine Mutter hätte nicht für sich, sondern für mich gelebt, aber als sie von Dahlias Anruf erzählte, dachte ich, dass nur der erste Teil davon stimmte, dass sie nämlich nicht lebte, nicht einmal für sich. Und selbst wenn sie für sich gelebt hätte, dann noch lange nicht für mich.
Aber trotzdem. Ich war froh, dass nur wir beide an dem Tag zum Zuteilungsstützpunkt fuhren. Ich war froh, dass ich keine Freundinnen eingeladen hatte.
»Mama, ich habe Angst«, sagte ich. »Ich habe solche Angst, dass ich meine Fingerspitzen nicht fühlen kann. Ich schnipse damit wieder unter dem Kinn. Ich habe Angst, dass etwas passiert.«
»Was denn, Yaeli?«
»Alles Mögliche.«
Darüber sprachen meine Mutter und ich im Bus, der uns zum Bus brachte, der mich zur Zuteilungsstation brachte. Nach einiger Zeit erzählte uns der Fahrer Witze, und auch wenn er unsere Lautstärke witzig fand,
Weitere Kostenlose Bücher