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Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)

Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)

Titel: Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shani Boianjiu
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Zimmer. Sie hat nikotingelbe Zähne und steht wie krummgeschlossen.
    »Ich schaff das nicht mehr«, sagt sie. »Ich brauche Hilfe.«
    Ich reagiere nicht. Ich brauche Hilfe. Wenn sie nur wollte, könnte sie wissen, dass ich ein leeres Haus für eine Party brauche, zu der ich Dan heute Nacht einladen kann. Aber was sie nicht wissen will, das will sie nicht wissen.
    Letzten Montag hat sie gefragt, ob ich nicht doch mal Putenbrust auf meinem Sandwich ausprobieren möchte.
    »Seit fünf Minuten rufe ich, dass du ans Telefon gehen sollst«, sagt sie und hält mir das Telefon hin. »Ich halt’s nicht aus, in diesem Haus zu leben und wie ein Zimmermädchen behandelt zu werden.«
    »Bist du’s?«, fragt Avishag am anderen Ende.
    »Hat Ninas Mum doch noch erlaubt, dass wir bei ihnen eine Party machen können?«, frage ich.
    »Yael«, sagt sie. »Dan ist gestürzt und hat sich am Kopf verletzt.«
    Und jetzt heißt es russisches Roulette
    Ich habe die ganze Nacht mit Avishag telefoniert. Die anderen Mädchen sind alle auf Leas Party geblieben. Sie wollte, dass die Leute dablieben, auch als sie gehört hatten, dass Dan was passiert war. Mir war das egal. Und mir war egal, dass meine Mutter mich hören konnte oder dass meine Schwester mich hören konnte oder dass mein Vater mich hören konnte. Zuerst hieß es, Dan wäre mit dem Kopf aufgeschlagen, und Avishag hat sich Sorgen gemacht, und dann hieß es, er hätte sich schlimm am Kopf verletzt und müsste ins Krankenhaus, aber Avishags Mutter hat sie nicht hingehen lassen, und dann hieß es, einer hätte ihm versehentlich in den Kopf geschossen, und zum Schluss hieß es, er wäre mit ein paar Typen aus seiner Klasse zum Hügel mit dem Handymast gegangen und sie hätten irgendein Mädchen angerufen, aber dann hätten sie russisches Roulette gespielt, weil keiner rangegangen war. Ich meine, außer ihnen hatte im Dorf keiner Empfang und fast alle waren auf Leas Party, und das war’s dann. Morgens um sechs hieß es, dass Dan gestorben war.
    Aber ich glaube diese ganzen Gerüchte nicht. Ich glaube, er ist einfach den Hügel rauf und hat sich da ganz allein das verdammte Scheißhirn weggeblasen.
    Mütter verschwanden
    Morgens um sieben gehe ich rüber zu Avishag. Sie wohnt in der Jerusalemer Straße 3 und ich wohne in der 12, so sind wir überhaupt erst Freundinnen geworden. Ich laufe an den gleich aussehenden Häusern vorbei, an Leas Haus, dem Olivenhain, dann dem Haus der britischen Familie Miller. Die Häuser sehen genau gleich aus, nur dass Avishags Haus ein rotes Dach hat und alle anderen grün sind. Wenn man reingeht, gibt es außerdem ein Bücherregal mit sieben Brettern, weil ihre Mutter Mira eine Intellektuelle ist, weil sie eine Lehrerin ist, oder weil sie ursprünglich aus Jerusalem kommt, nicht aus der Jerusalemer.
    Avishag hat die Augen geschlossen, also halte ich ihr die Nase zu, damit sie aufwacht. So habe ich sie immer geweckt, als wir klein waren, aber wenn ich es jetzt mache, merke ich, dass ich sie nicht mehr so wecken kann. Jetzt nicht. Und nie mehr. Sie schreit mich nicht an, als sie aufwacht; sie sagt kein Wort.
    Ich ziehe ihr das Kissen unter den feuchten schwarzen Haaren weg. Ich lege es auf den Boden, lege den Kopf drauf und schließe die Augen.
    Aber nach ungefähr einer Stunde wache ich wieder auf. In der Küche stehen ganz sicher Kakao und Cornflakes auf dem Tisch, also gehe ich runter, aber auf dem Tisch steht gar nichts. Kein Kakao und kein Brot mit Schokoaufstrich, obwohl Mira beides jeden Morgen für ihre Jüngste hinstellt.
    Ich war mir ganz sicher gewesen, dass alles dastehen würde. Das war das Schlimmste von allem, echt jetzt.
    Meine Mutter stellt mir morgens eine Tomate und Tee hin und meiner Schwester Tomate und Brot und Tee, so ist das bei uns. Wenn wir aufstehen, ist sie immer schon weg, weil ihre Arbeit um sieben anfängt. Früher fing sie immer um acht an, da konnte sie uns noch zur Schule fahren, aber als wir in der zehnten Klasse waren, hat man im Dorf einen Schulbus eingeführt, damit der morgendliche Berufsverkehr entzerrt wird und Mütter eine Stunde früher zur Arbeit können. Jetzt liegt da immer nur ein Zettel. Wascht nach dem Essen euer Geschirr ab. Sie stellt das Essen in den Kühlschrank, zwei Teller zugedeckt mit anderen Tellern, von Sonntag bis Dienstag Reis und Lamm und den Rest der Woche Reis und Okra. Das Essen schmeckt immer frisch, obwohl wir es in der Mikrowelle warm machen müssen.
    Ich gehe in Avishags Zimmer

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