Das war eine schöne Reise
genähert…«
»Entschuldigen Sie, daß ich lache, Herr Kommissar«, rief Otto Lobedanz und prustete wirklich in seine Hand hinein, »aber Schnürchen und die dicke Witwe Pütterich, nein, das geht zu weit! Das geht über meine Vorstellungskraft, hihihi! Er wäre an ihr zerbrochen. Sie hätte ihn mit einem Nieser quer über die Adria bis nach Jugoslawien geblasen, oder mit einem Atemzug einfach aufgeschnupft. Nein, Herr Kommissar, Sie kennen Hermann Schnürchen nicht. Der Name paßte so gut zu ihm, daß man keinen besseren hätte erfinden können, um ihn zu beschreiben. In seiner Statur war er ein Filigranmännchen, dünn wie ein Bindfaden, leicht wie eine Mücke, zart wie ein Schmetterling und harmlos wie ein neugeborenes Kind. Aber mit einem Herzen von Gold in der kleinen Brust...«
»Hören Sie mir bloß mit den kleinen, dünnen Mickermännchen auf!« unterbrach ihn Herr Knuffka und auf seiner Stirn erschien eine böse Falte, »das sind die allerschlimmsten. Von hundert Heiratsschwindlern sehen achtzig Prozent genauso aus, wie Sie Ihren Freund Schnürchen beschrieben haben. Sie glauben es nicht, aber es ist so. Und warum?«
Otto Lobedanz hob die Schultern. Unter einem Heiratsschwind-1er hatte er sich jedenfalls bisher immer einen tollen Burschen vorgestellt, einen Kerl aus Feuer, auf den die Frauen flogen wie die Bienen auf den Honig.
»Völlig daneben!« sagte der Kommissar, als hätte er diese Gedanken erraten. »Haben Sie mal was von Mutterinstinkt gehört, junger Mann? Davon stecken die Frauen voll, und zwar von der Wiege bis zur Bahre. Und das ist es, worauf diese Hutzelmännchen spekulieren und womit sie Erfolg haben und an die Sparkonten herankommen. Das sage ich Ihnen aus Erfahrung! Klein, lieb und bescheiden sein, das zieht mehr Geld aus den Schubladen, als wenn ein Mann einen Brustkasten wie ein Ringkämpfer hat und ein Auftreten wie der Stewart Granger.«
»Sie mögen hundertmal recht haben, Herr Kommissar, aber für Hermann Schnürchen lege ich meine Hand ins Feuer!«
»Sie sind mit solchen Proben schnell bei der Hand, mein Lieber«, knurrte Herr Knuffka; »den Briefbeschwerer haben Sie schön stehenlassen. Aber wenn Sie die Feuerprobe auf meinem Spirituskocher durchaus haben wollen...Ich koche mir ohnehin gleich meinen Kaffee...« Er klappte den Aktendeckel zu und schob den Ordner ins Ablegeregal zurück: »Eine Frage noch: Sie haben doch die Adresse von Ihrem Freund Schnürchen, wie?«
»Ja, gewiß...«
»Und haben Sie ihn schon besucht?«
»Noch nicht, er sagte, er würde sich bei mir melden, sobald er zurück sei...«
»Wovon zurück?«
»Von einer Konzertreise mit seinem Quartett. Er sagte, das könne längere Zeit dauern...«
»Und seine Adresse ist Jakobsgasse 23, Hinterhaus, zwoter Stock links, nicht wahr?«
»Stimmt genau, Herr Kommissar.«
»Stimmt genau, Herr Kommissar«, wiederholte Herr Knuffka grimmig. »Also schön, Herr Lobedanz, dann gehen Sie mal hin und besuchen Sie ihn in der Jakobsgasse 23, und wenn Sie ihn dort finden, dann bestellen Sie ihm einen schönen Gruß von mir.«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Damit will ich ganz schlicht und einfach sagen, daß es in der ganzen Stadt nur einen Mann namens Hermann Schnürchen gibt, aber der wohnt nicht Jakobsgasse 23 im zwoten Stockwerk vom Hinterhaus, sondern der wohnt Wilhelmshöhe, und zwar ohne Hausnummer, denn dort ist die Stadt zu Ende. Und dieser Schnürchen wohnt nicht in einem Haus, sondern in einer Villa. Und die nächstbessere Ausführung davon gibt es nur noch in reinem Gold. Und rings um das kleine Häuschen zieht sich ein Park hin, und der ist so groß, daß die Gäste, die sich darin verirren, mit Polizeihunden gesucht werden müssen. Und Herr Schnürchen ist auch nicht Flötist in einem Kammerorchester, sondern ihm gehört man bloß das Großversandhaus Zentral. Und in wie vielen Aufsichtsräten der sitzt, das weiß er selber nicht. Aber eins weiß ich gewiß: wenn der verreist, dann fährt er nicht Popelklasse Liegewagen, sondern mit einem Straßenkreuzer Spezialanfertigung, wo ein VW im Kofferraum verstaut ist, wenn er mal schnell in den Wald muß. — Und nun auf Wiedersehen, Herr Lobedanz, es war mir ein Vergnügen.«
»Und die Anzeige von Frau Pütterich?« fragte Otto Lobedanz leicht benommen.
»Die Witwe Pütterich werde ich mir demnächst einmal höchstpersönlich vorknöpfen«, sagte Herr Knuffka und holte aus der Tiefe seines Schreibtisches einen kleinen blanken Spirituskocher hervor und
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