Das war eine schöne Reise
Frau Pütterich.
»Da blieb mir nichts anderes übrig, als die Geschichte von der Vetternschaft zu improvisieren und vor allem, mir eine neue Anschrift einfallen zu lassen...«
»Und da fiel Ihnen die Adresse Ihres Herrn Kowalski ein«, sagte Otto Lobedanz.
»So war es. Aber lassen Sie mich auf den eigentlichen Grund für meine Flötistenrolle zu sprechen kommen und verzeihen Sie mir, wenn ich dabei ein wenig weit aushole und bis auf das Jahr 1760 zurückgreife. Damals nämlich legte ein Hieronymus Schnürchen den Grundstein zu unserem Unternehmen. Heute würde man ihn einen Kriegsgewinnler nennen, er belieferte nämlich im Siebenjährigen Krieg die preußischen Armeeschneidereien mit blauem Uniformtuch. Und er verdiente dabei so gut — er muß auch ein ehrlicher Mann gewesen sein, denn er blieb auch nach dem Kriege mit den Preußen im Geschäft —, daß er im Jahre 1767 eine eigene Tuchmanufaktur gründen konnte. Das also ist das Gründungsdatum der Firma Schnürchen, die im Laufe der Zeit Wandlungen durchmachte, aber den Textilien immer treu geblieben ist und im kommenden Jahr auf eine zweihundertjährige Geschichte zurückblicken kann. Solch ein Jubiläum kann man natürlich nicht unbemerkt vorübergehen lassen, und so stand ich eines Tages vor der Frage, wie ich meinen Leuten, die zum Teil seit Generationen treu zum Namen Schnürchen halten, im Jubiläumsjahr eine besondere Freude machen könnte. Man machte mir diesen und jenen Vorschlag, bis dann schließlich einem meiner Herren einfiel, den Angestellten den Dank des Hauses durch einen Sonderurlaub in den Süden abzustatten. Die Idee gefiel mir ausgezeichnet, aber ich bin nun einmal ein Mann, der Katzen nie im Sack kauft. Und deshalb entschloß ich mich, ehe ich zu dem Feriale-Unternehmen Verbindungen auf nahm, selber zu prüfen, was Feríale meinen Leuten zu bieten hat...«
»Inkognito, sozusagen...«, warf Otto Lobedanz ein, der wie auch alle anderen, den Bericht von Herrn Schnürchen gespannt verfolgt hatte.
»Ganz recht, Herr Lobedanz«, nickte Herr Schnürchen, »das Dumme daran ist nur, daß man für solche Zwecke einen Reisepaß benötigt. Und da sich meine Absicht bei Feríale herumgesprochen zu haben schien, wußte unser Reiseleiter, Herr Körber, bald, mit wem er es zu tun hatte. Aber das nur nebenbei. Ich will Sie auch nicht länger langweilen, sondern nur noch kurz erzählen, daß ich ursprünglich die Absicht hatte, mir den Feriale-Betrieb anzusehen, zwei oder drei Tage in Rimini zu bleiben und mich dann unter irgendeinem Vorwand zu verkrümeln...«
Er machte eine Pause, denn Frau Niebelschütz erschien mit einer Erdbeerbowle in der Tür. Herr Schnürchen nahm sie ihr ab und übernahm die Vorstellung seiner Gäste. Und während Frau Niebelschütz die Gläser füllte, kam Herr Schnürchen zum Schluß seiner Geschichte.
»Wie gesagt, ich hatte die Absicht, Rimini nach drei oder vier
Tagen zu verlassen, aber dann, liebe Freunde, lernte ich Sie kennen, zunächst in Ihrer wundervollen Hilfsbereitschaft, die mich tief bewegte...«
Frau Lobedanz schluchzte kurz auf und wischte sich eine Träne der Rührung aus dem Auge.
»...und später in Ihrer liebenswürdigen Fröhlichkeit, in der ich alter Junggeselle so etwas wie die Wärme eines Familienlebens fand. Ich habe es Ihnen schon einmal gesagt, aber ich möchte es hier wiederholen, daß ich mit Ihnen den schönsten Urlaub meines Lebens genossen habe. Und dafür danke ich Ihnen allen von Herzen!«
Frau Niebelschütz hatte inzwischen die Gläser gefüllt, und Herr Schnürchen ging mit seinem Glas von einem zum anderen, um mit ihnen anzustoßen. Vor Sonny Sonntag und Otto Lobedanz blieb er stehen.
»Tcha, meine Herrschaften«, sagte er, »unsere beiden Paare, Herr Blumm und Fräulein Lenz, und mein Freund Otto Lobedanz und seine reizende Braut, geben mir ein schweres Problem auf, das Problem nämlich, ob diese Feriale-Reisen das richtige Jubiläumsgeschenk sind. Ich fürchte fast, daß ich meinen Betrieb nach dem Urlaub zumachen kann, wenn meine Damen und Herren es unseren beiden Paaren nachmachen. Rimini scheint wirklich ein Heiratsmarkt zu sein, nicht wahr, Frau Lobedanz?«
»Ach, Herr Schnürchen, was sich finden will, das findet sich nicht nur in Rimini.«
»Da mögen Sie recht haben, Frau Lobedanz. Aber nun wollen wir die Gläser heben und unsere verlobten Paare hochleben lassen!«
Es war inzwischen dunkel geworden, und Frau Niebelschütz zündete die Windlichter an, die in gelben
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