Das Weihnachten des Mr Scrooge
Kindes gehabt und wäre dabei doch gern Manns genug gewesen, um seinen Wert richtig einzuschätzen.
Aber nun ließ sich ein Klopfen an der Tür vernehmen, und das rief sogleich ein fürchterliches Gedränge hervor. Die junge Dame wurde mit lachendem Gesicht und zerzausten Kleidern inmitten einer lärmenden, mutwilligen Gruppe der Tür zugeschoben, gerade rechtzeitig, um den Vater zu begrüßen, der in Begleitung eines mit Weihnachtsspielzeug und Geschenken beladenen Mannes nach Hause kam. Da hätte einer das Kreischen und das Drängen und den Angriff sehen sollen, der auf den wehrlosen Lastträger eröffnet wurde. Auf Stühlen statt der Leitern kletterten sie an ihm empor, um in seine Taschen zu greifen, ihn der braunen Papierpaketchen zu berauben, sich an sein Halstuch zu klammern, ihn um den Nacken zu fassen und in hemmungsloser Aufwallung ihm auf den Rücken zu trommeln und ihn in die Waden zu zwicken! Die Ausrufe des Staunens und des Jubels, die das Öffnen jedes Pakets begleiteten, die Schreckensbotschaft, das Kleinste sei dabei ertappt worden, wie es die Schmorpfanne der Puppe in den Mund steckte, und stehe stark im Verdacht, einen Truthahn, der auf ein hölzernes Blöckchen festgeleimt war, verschluckt zu haben, die grenzenlose Erleichterung, als man fand, daß dies nur ein blinder Alarm gewesen war, die Freude, die Dankbarkeit, das Entzücken – das alles läßt sich nicht wahrheitsgetreu beschreiben. Es genügt zu wissen, daß sich die Kinder samt ihrer Aufgeregtheit allmählich aus der Wohnstube entfernten und, von Stufe zu Stufe springend, in die Mansarde gelangten, wo sie zu Bett gingen und so zur Ruhe kamen.
Nun verfolgte Scrooge mit größter Aufmerksamkeit, wie sich der Herr des Hauses, an den sich seine Tochter liebkosend anschmiegte, mit dieser und ihrer Mutter zum Kamin setzte; und als er sich vorstellte, daß ein ebenso liebliches und verheißungsvolles Wesen ihn hätte Vater nennen, daß es ihm ein Früh
ling in den rauhen Wintertagen des Lebens hätte sein können, da wurden seine Augen trüb.
»Bella«, sprach der Hausherr lächelnd zu seinem Weib, »ich sah heute nachmittag einen deiner alten Anbeter!«
»Wen denn?«
»Rate!«
»Wie kann ich! Gott, als ob ich's nicht wüßte«, fügte sie noch im selben Atemzug hinzu und stimmte in sein Lachen ein. »Mr. Scrooge.«
»Ja, den! Ich ging unter dem Fenster seines Kontors vorüber, und da die Läden noch nicht geschlossen waren und drinnen eine Kerze brannte, mußte ich ihn notgedrungen sehen. Sein Partner liegt auf den Tod krank, wie ich höre, und da saß er nun allein. Ich glaube, ganz allein in der Welt.«
»Geist!« hub Scrooge mit gebrochener Stimme an, »führ mich weg von hier.«
»Ich sagte dir ja«, gab die Erscheinung zur Antwort, »dies sind nur Schatten von Dingen, die gewesen sind. Daß sie sind, was sie sind, darfst du mir nicht zum Vorwurf machen!«
»Führ mich weg!« rief Scrooge. »Ich kann es nicht ertragen!«
Er drehte sich nach dem Gespenst um. Da sah er, daß es ihn mit einem Gesicht anblickte, in dem sich seltsamerweise Bruchstücke aller der Gesichter vereinigten, die Scrooge zu sehen bekommen hatte, und er begann mit ihm zu ringen.
»Verlaß mich! Bring mich zurück. Verfolge mich nicht länger!«
In dem Kampf – wenn es ein Kampf genannt werden kann, da der Geist, ohne sichtbaren Widerstand zu leisten, doch durch den Angriff seines Gegners nicht berührt wurde – bemerkte Scrooge, daß das Licht des Geistes hoch und hell brannte, und da er das mit seiner Macht über ihn in eine unklare
Verbindung brachte, ergriff er die Mütze, die wie ein Lichtauslöscher aussah, und drückte sie ihm mit einer raschen Bewegung auf den Kopf.
Der Geist verschwand darunter, so daß die Kappe seine ganze Gestalt überdeckte; aber obwohl Scrooge sie mit aller Kraft niederdrückte, konnte er doch das Licht nicht auslöschen, das sich darunter hervor über den ganzen Boden ergoß.
Scrooge fühlte sich erschöpft und von unwiderstehlicher Schläfrigkeit übermannt und war sich zugleich bewußt, in seinem Schlafzimmer zu sein. Er gab der Mütze noch einen letzten Druck, indes seine Hand erlahmte, und hatte sich kaum ins Bett gelegt, als er auch schon in tiefen Schlaf sank.
Dritte Strophe
Der zweite der drei Geister
Als Scrooge mitten in einem wunderbar zähen Schnarchen erwachte und, sich im Bette aufrichtend, seine Gedanken zusammensuchte, brauchte man ihm nicht erst zu sagen, daß die Glocke gerade aushole, um wiederum eins
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