Das weiße Amulett
für einen Moment auf den kleinen Bistrotisch. »Den Kaffee bezahle auf jeden Fall ich«, bestimmte sie mit gespieltem Ernst.
»Okay, dann bestelle ich mir noch ein Croissant dazu.«
»Nein, zwei«, sagte Karen. »Oder besser drei, falls ich im Flugzeug nichts zu essen bekomme.«
Eine halbe Stunde später verabschiedeten sie sich voneinander mit einer langen Umarmung und einem noch längeren Kuss. Karen sah noch einmal in seine wunderschönen braunen Augen, dann drehte sie sich um und ging.
Er schaute ihr nach und flüsterte: »Bye, my love, ’til we see us again.«
Als sie hinter einem Eckpfeiler verschwunden war, drehte er sich um und schlenderte ganz in Gedanken versunken zum Ausgang. Ein dicklicher Franzose, der sich auf eine Gehhilfe stützte, wartete bereits auf ihn.
Mit leichtem Stirnrunzeln ging Mansfield auf ihn zu.
»Monsieur Laurent, was machen Sie denn hier?«
»Ich hatte noch etwas zu erledigen.«
»Aha, Sie sind schon wieder im Dienst?«
Laurent biss sich auf die Lippe. »Nein, bin ich nicht. Ich habe noch etwas mit Ihnen zu erledigen, bevor Sie nach Amerika zurückfliegen.«
Mansfield warf ihm einen kritischen Blick zu. »Sie wollen mir doch wohl keinen Ärger wegen der unregistrierten Waffe machen, oder?«
»Nein.«
»Hatte ich irgendwelche Strafzettel?«
»Viele, aber die habe ich verbrannt.«
Mansfield verstand allmählich, weshalb der Kommissar hier war.
»Laurent«, begann er schnell, aber dieser unterbrach ihn mit einer kurzen Handbewegung.
»Nein, sagen Sie nichts. Es ist nun mal wichtig für mich, dass ich mich bei Ihnen entschuldige.« Er blickte Mansfield ins Gesicht, aber er sah nur in zwei milde Augen, die ihm schon lange vergeben hatten.
»Wenn Sie so weitermachen, werden Sie mir noch sympathisch. Also sagen Sie mir endlich, was Sie an mir auszusetzen haben.«
Laurent grinste. »Sehr vieles, Monsieur Mansfield, sehr vieles. So viel Zeit habe ich gar nicht, um alles aufzuzählen.«
»Das dachte ich mir.«
Sie gingen durch den Ausgang und dann zum Parkplatz, wo Durel mit seinem Citro‘n auf sie wartete. »Übrigens haben wir gestern Abend Lucass festgenommen«, sagte Laurent beiläufig.
»Sollte mich das interessieren?«
Laurent zuckte mit den Schultern. »Ach, ich dachte nur, weil Sie Anfang September Vincent Bouvier im Capet getroffen haben und der bekanntermaßen zu Lucass’ Leuten gehört.«
Mansfield folgte dem Kommissar mit einem schiefen Lächeln. »Sie haben es gewusst?«
»Oui. Aber ich wusste nicht, weshalb Sie sich mit ihm getroffen haben. Sie haben mir ja leider nichts davon erzählt.«
»Sie hätten mir nicht geglaubt.«
»Wahrscheinlich nicht.«
»Das habe ich mir gedacht. Wissen Sie, an Lucass heranzukommen war schon schwer genug, und wenn ich Ihnen von meinen Ermittlungen erzählt hätte, hätten Sie mich zuerst ausgelacht und mir dann wahrscheinlich so viele Steine wie möglich in den Weg gelegt.«
Laurent nickte. »Selbstverständlich, schließlich sind wir hier in Paris und nicht in New York.«
»Sehen Sie, deswegen musste ich es alleine versuchen.«
»Das war aber sehr riskant.«
»Ich hatte keine Wahl. Lucass war der Einzige, der meine Unschuld bezeugen konnte. Ich musste ihn finden.«
»Von wegen Urlaub.«
»Tut mir Leid.«
»Ach, Unsinn. Daran habe ich sowieso keine Sekunde geglaubt. Hatten Sie Madame Alexandre von Ihrem wahren Aufenthaltsgrund erzählt?«
»Nein, sie hat nichts gewusst.«
»Nicht sehr fein von Ihnen.«
»Es hätte sie nur beunruhigt.«
»Zu Recht.«
»Weswegen haben Sie Lucass eigentlich gestern festgenommen?«, fragte Mansfield interessiert.
»Es gab eine kleine Schießerei, bei der er einen Amerikaner umgebracht hat. Einen gewissen Robert Brennar. Kennen Sie ihn zufällig?«
»Nein. Aber falls Ihnen eine chromfarbene Smith & Wesson, Modell 4006 bei Lucass in die Hände fallen sollte, bitte ich Sie …«
»… die darauf gefundenen Fingerabdrücke nicht mit Ihren zu vergleichen? Auf die Idee würde ich niemals kommen.«
»Danke.«
»Kein Problem. Übrigens wurde dieser Brennar mit so einer Waffe getötet. Aber es sind hauptsächlich Lucass’ Fingerabdrücke drauf. Niemand wird auf die Idee kommen, die anderen mit denen aus Ihrer Akte zu vergleichen.«
»Was für eine Akte?«
»Monsieur Mansfield, die französische Polizei schläft nicht. Ich habe mir von Ihrem Vorgesetzten eine Kopie Ihrer Polizeiakte kommen lassen, die zwar wahrscheinlich unvollständig ist, aber immerhin einige aufschlussreiche
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