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Das weiße Amulett

Das weiße Amulett

Titel: Das weiße Amulett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathinka Wantula
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antwortete Karen und betrachtete den goldenen Falken in Michaels Hand. »Der Clochard hat von deinem Vater eine Belohnung bekommen und als Dank den Anhänger zurückgegeben. Er wollte ihn nicht haben, da er ihm nicht gehöre. Dein Vater gab ihm dann noch seine Visitenkarte und meinte, er könne ihn jederzeit anrufen, wenn er irgendetwas brauche.«
    Mansfield betrachtete nachdenklich den ägyptischen Falkengott in seiner Hand. El Bahay hatte Recht behalten, der Falke hatte ihn beschützt. Bis zuletzt.
    »Mein Dad war also hier? Kaum zu glauben. Wo ist er jetzt?«
    Sie hörte den harten Unterton in seiner Stimme und hatte das Gefühl, Mansfield senior vor seinem eigenen Sohn beschützen zu müssen.
    »Er war die ganze Woche hier und hat dich jeden Tag besucht. Es sah nicht gut aus. Die Ärzte wussten nicht, ob du es schaffst.«
    Ein schmerzliches Lächeln spielte um seinen Mund. »So leicht wird man mich nicht los. Ich bin New Yorker. Wir stehen immer wieder auf.«
    »Das hat dein Dad auch gesagt. Ohne seine tröstenden Worte hätte ich die Woche nicht überstanden.«
    »War es so schlimm, Darling?« Er streichelte mit der gesunden Hand ihre Wange.
    »Es war die Hölle. Es war schon schlimm genug, dass ich in Ägypten dachte, du lägst tot in der Wüste. Und jetzt noch mal. Mach das nie wieder, hörst du?«
    Mansfield strich ihr sanft einige Haare aus der Stirn. »Ich musste etwas unternehmen. Ich hätte es nicht ertragen, wenn dir etwas passiert wäre«, flüsterte er liebevoll. Wenn dir wieder etwas passiert wäre, ergänzte er in Gedanken. »Dort oben auf der Galerie ging es nicht um mein Leben. Es ging um dich und um das …l. Der Fremde durfte es nicht bekommen. Um keinen Preis.«
    »Um keinen Preis«, murmelte Karen, während Mansfield den Kopf mit einem leichten Stöhnen ins Kissen zurücksinken ließ. Er schloss die Augen.
    Karen merkte es und lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. »Du bist müde. Entschuldige bitte, dass ich dich so angestrengt habe.«
    Mansfield öffnete die Augen halb. »Du bist immer anstrengend«, flachste er.
    »Werd nicht frech«, entgegnete sie, doch Mansfield lachte. »Ich komm heute Abend noch mal wieder, okay?« Sie beugte sich über ihn und gab ihm einen leichten Kuss.
    »Ich liebe dich«, flüsterte er.
    Sie blickte ihn zärtlich an. »Ich liebe dich auch. Erhol dich gut.«

55
    Karen wusste nicht, wie lange Michael im Krankenhaus bleiben würde, aber sie wollte ihn auf keinen Fall allein lassen.
    Als sie wieder gesund war, hatte sie sich ein Zimmer im Vernet genommen, ganz zum Missfallen von Mansfield senior, der sie im Ritz einquartieren wollte, dort, wo er selbst immer logierte, wenn er in Paris war. Karen hatte mit einem Lächeln abgelehnt und musste an Michaels Antwort denken, als sie ihn mal fragte, warum er im beschaulichen Vernet wohne anstatt im Ritz. »Nicht mein Stil«, hatte er gesagt, und erst jetzt verstand sie, dass es mehr als nur eine Stilfrage war. Mansfield junior wollte sich von seinem Vater abgrenzen – durch seinen Beruf, durch andere Hotels, durch einen anderen Lebensstil.
    Karen hatte also ein Zimmer im Vernet genommen, wo sie vormittags an ihrem Buch arbeitete, während sie nachmittags Michael im Krankenhaus besuchte.
    Nach einer Woche schickte Escard einen Boten, der ihr ein kleines Paket überreichte. Mit zitternden Händen schnürte sie es auf und blickte wenig später mit unglaublicher Freude auf originale Schriftstücke des Professors. Im Brief von Monsieur Artois stand, dass die Polizei sie in der Wohnung des Unbekannten gefunden und sie an die Sorbonne zurückgegeben habe.
    Karen fuhr mit den Fingern über die verblichene Handschrift und konnte kaum glauben, dass sie diese Briefe wieder in Händen hielt. Briefe und Notizen, die sie vor hundert Jahren geschrieben hatte. In einer anderen Zeit. In einem anderen Leben.
    Julius hatte Recht gehabt, niemand anderes hätte die Monographie so schreiben können wie sie.
    Julius.
    Plötzlich hatte sie wieder sein ernstes Gesicht vor Augen, als er sie an dem Montag im August beschworen hatte, den Auftrag anzunehmen.
    Hatte er es gewusst? Hatte er es etwa gewagt, sie auf die delphische Suche nach sich selbst zu schicken?
    Sie griff nach ihrem Handy und wollte gerade Julius’ Nummer eintippen, als ihr ein anderer Gedanke kam. Nein, sie würde ihn nicht am Telefon zur Rede stellen. Sie wollte ihm in die Augen sehen, wenn sie es ihn fragte.
    Einige Tage später brachte Durel Karen eine dünne Mappe, in der eine

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