Das weiße Grab
wünsche es mir trotzdem. Könnte man ihm nicht irgendetwas spritzen, damit er die Wahrheit sagt.«
»So läuft das leider nicht.«
»Nein, leider. Aber das ist echt verrückt. Pauline muss möglicherweise sterben, weil wir einen Psychopathen schützen müssen, der fünf Frauen auf dem Gewissen hat. Wenn ich hier das Sagen hätte, dann … na ja, so witzig wäre das auch nicht … aber lieber das, als dass Pauline dabei draufgeht.«
»Das wird schon nicht passieren.«
»Dass sie draufgeht?«
»Das meinte ich eigentlich nicht, aber lass uns doch über etwas anderes reden.«
»Und worüber? Dieser Falkenborg fährt doch nur herum, wenn er nicht in seinem Hotelzimmer liegt und schläft. Ich verstehe nicht, dass wir nur untätig dabei zusehen. Ich halte es nicht aus, bloß im Kontrollraum zu sitzen, das ist wie auf einer Beerdigung. Ich verstehe nicht, warum wir ihn gewähren lassen.«
Die Comtesse dachte, dass er damit die Meinung eines Großteils des Präsidiums ausdrückte. Konrad Simonsen hatte immer größere Schwierigkeiten, an seiner Strategie festzuhalten und Andreas Falkenborg nur zu überwachen. Auch wenn sie und der PET -Chef alles in ihrer Macht Stehende taten, um ihn zu stützen. Aber er brauchte Zeit, um seine Absprache mit Marcus Kolding umzusetzen.
»Vielleicht geschieht heute ja irgendetwas.«
»Was sollte das denn sein? Oder weißt du was?«
»Wart’s ab, Malte.«
»Sie sagen, dass es heute auch wieder so warm wie gestern werden soll, das ist nicht gut, oder?«
»Nein, das ist nicht gut.«
»Ich kriege kaum einen Schluck runter, wenn ich an sie denke. Aber eigentlich bin ich zu dir gekommen, um dich zu fragen, ob ich im Laufe des Tages mal für ein paar Stunden nach Hause kann. Anita hat Geburtstag, und ich habe ihr noch nicht einmal ein Geschenk gekauft. Außerdem hat sie ein paar Probleme mit ihrem Vater, und ich würde schrecklich gern …«
Die Comtesse schüttelte den Kopf, und er verstummte.
»Nein, Malte, du musst bleiben. Wir könnten dich ganz plötzlich brauchen, und dann hilft es uns nichts, wenn du nicht da bist. Aber in der Zwischenzeit, während du in Wartestellung bist, kannst du tun und lassen, was du willst, solange du dein Handy anlässt.«
Eine halbe Stunde später erreichte die Frustration, weil Konrad Simonsens so lange zögerte, ihren vorläufigen Höhepunkt. An die zehn entschlossene Beamte aus dem ganzen Präsidium drängten sich in das Büro des Ermittlungsleiters. Einige trugen Uniform, andere waren in Zivil, doch alle machten todernste Gesichter.
Konrad Simonsen saß hinter seinem Schreibtisch und kämpfte gegen den Schlaf an, als die Gruppe kam und in Windeseile sein Büro besetzte. Ein älterer Beamter, der bekannt für sein beherrschtes Wesen war und von allen geschätzt und akzeptiert wurde, fungierte als Sprecher der Gruppe. Er baute sich neben der Tür auf und wartete, bis alle eingetreten waren. Dann sagte er mit ruhiger, deutlicher Stimme: »Konrad, so kann es nicht weitergehen. Jetzt wissen wir bald seit einem Tag, wo dieser Andreas Falkenborg sich befindet, und allen außer dir scheint klar zu sein, dass er nicht vorhat, noch einmal an den Ort zurückzukehren, an dem er die beiden Frauen versteckt hat. Also, entweder nimmst du ihn jetzt fest, oder wir tun das – mit oder ohne Befehl.«
Konrad Simonsen fixierte ihn und stellte fest, dass der Mann seinem Blick, ohne zu flackern, standhielt. Dann griff er zum Telefon, erreichte die Comtesse und bat sie mit klarer Stimme: »Kannst du dafür sorgen, dass der oberste Polizeichef so schnell wie möglich in mein Büro kommt?«
Danach nahm er einen Bericht, der auf seinem Schreibtisch lag, und begann darin zu lesen, während sich unter den anwesenden Männern zunehmend Unruhe ausbreitete. Einer verließ das Büro, ein anderer versuchte sich an einer Erklärung, wurde aber von Konrad Simonsens nach oben gestreckter Hand unterbrochen.
Nach weniger als einer Minute kam der oberste Polizeichef, und Konrad Simonsen fragte: »Soweit ich das gestern bei unserer Besprechung verstanden habe, habe ich die operative Verantwortung für den Fall Falkenborg. Oder habe ich da etwas missverstanden?«
Ein seltenes Mal war der Polizeichef äußerst klar in seiner Aussage: »Nein, das haben Sie nicht missverstanden. Der Fall unterliegt Ihrer Verantwortung, einzig und allein Ihrer Verantwortung.«
Er ließ seinen Blick über die anwesenden Männer schweifen, nahm langsam seine Brille ab und fragte zornig: »Wo liegt das
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