Das Werk der Teufelin
lösen. Auch die Euren, Pater, vielleicht?«
»In meinem Fall, Kind, wird es wohl nicht gehen.«
Diese so sanft gesprochenen Worte hörten sich so bitter an, dass Almut bereute, dieses Thema überhaupt angerührt zu haben. Leise flüsterte sie: »Verzeiht, Pater. Ich habe Wunden aufgerissen. ›Könnte doch ein Schloss an meinen Mund gelegt und ein Siegel fest auf meine Lippen gedrückt werden.‹«
In der seltsam übermüdeten Stimmung, in der sie war, hätte sie später niemals beschwören können, ob das, was dann geschah, Traum oder Wirklichkeit war. Hatten sich wirklich seine Lippen auf ihren Mund gelegt und ihn verschlossen? Ganz gewiss hatte Ivo danach aber gemurmelt: »Schlaft gut, Begine«, und nichts, was irgendwie auch nur so ähnlich geklungen hätte wie »Schlaft gut, Geliebte«. Sie war in einen tiefen, traumlosen Schlummer gefallen, bevor sie darüber nachdenken konnte.
Aziza wachte aus einem leichten Schlaf auf, womöglich war es ein Rascheln im Heu oder der Schrei eines Käuzchens. Doch es war alles still, und ein kritischer Blick zeigte ihr, dass Angelika ruhig schlummernd in einer tiefen Kuhle eingerollt lag. Pitter saß neben ihr und kaute auf einem Grashalm herum. Seine Augäpfel glänzten weiß im Mondlicht, und mit einem Grinsen wies er auf die beiden Menschen neben sich. Almut schlief an der Schulter des Benediktiners, ihre Haare flossen über seine Brust, und er hatte seine Arme beschützend um sie geschlungen. Auch er schien zu schlafen, doch sein Gesicht war voll sehnsüchtiger Trauer.
»Wenn du ein Wort darüber verlierst, Pitter, dann werde ich dir höchstpersönlich mit diesem Dolch die Aufwartung machen!«, wisperte Aziza.
Pitter zuckte mit den Schultern: »Nicht nötig, Frau Maurin. ’s ist eine Art Heilung, denke ich.«
Und aus seinen Augen sprach eine uralte Weisheit, die seinen vierzehn Jahren zu spotten schien. Er zog einen neuen Halm aus dem Gras, legte sich zurück und kaute daran.
Aziza sah noch einmal zu ihrer Schwester hin und traf so auf Pater Ivos Blick. Sie lächelte ihm nachsichtig zu. Und dann flüsterte die maurische Hure, die keine war, zu dem frommen Priester, der das nicht war: »Ego te absolvo!«
Almut erwachte im Morgengrauen und fand sich unter einer dicken Schicht trockenen Grases liegen. Alleine. Natürlich. Die anderen waren schon auf und schüttelten sich die Halme aus den Kleidern. Ein bisschen wund und steif kam sie sich noch vor, aber nachdem sie sich in der Morgenkühle gestreckt und gereckt hatte, ging es allmählich, und ohne viele Worte zu wechseln, brach der kleine Trupp zum Stadttor auf.
»Pater, müssen wir Angelika dem Vogt übergeben?«, fragte Almut, als sie das Tor passiert hatten.
»Nein. Ich habe darüber nachgedacht. Ich werde sie mit zu den Nonnen von Machabäern nehmen. Die Schwestern werden sich zunächst um sie kümmern und auf sie aufpassen. Ich denke, dort ist sie besser aufgehoben als bei Euch im Konvent.«
Almut fiel ein Stein vom Herzen. Nicht nur wollte sie das Mädchen aus den Augen haben, auch die Vorstellung, was mit ihr bei den Bütteln und Wachen im Kerker passieren würde, stieß sie ab.
Pitters zwei Freunde waren schon auf ihrem Posten und hielten, Brotkanten kauend, Ausschau nach Kundschaft.
»Pass nur auf, wenn du zu deiner Mutter kommst, Pitter. Sie wird dir die Ohren lang ziehen. Die ganze Nacht wegbleiben!«, warnte ihn der eine, als er sich zu ihnen gesellte.
»Och, die wird das schon verstehen. Ich musste der Frau Almut helfen. Und die Beginen haben der Mutter schon manches Mal beigestanden!«
»Vor allem füttern sie dich durch, du Fresssack!«, unkte der andere.
»Ich werde nicht vergessen, unsere Gertrud zu bitten, dir eine große Fleischschüssel herauszustellen, Pitter. Nochmals danke.«
Almut lächelte in das magere, zerschlagene und nicht ganz saubere Gesicht des Jungen und gab ihm dann ein schnelles Küsschen auf die Stirn!
»Ein Bejinge-Bützche!«, johlten seine Kumpanen, und Pitter, dunkelrot, aber gefasst, entgegnete kühl: »Is besser als ein Nonnen-Fützche!«
»Bürschchen!«, grollte Pater Ivo, aber ganz ernst klang das nicht.
Sie gingen gemeinsam die letzten Schritte zum Beginenhof, hier verabschiedete sich Almut von Aziza.
»Ich werde nach Johanna schauen, Schwester. Wenn du Zeit findest, komm zu Meister Krudener. Ich habe da so eine Idee, wie man ihrem Liebsten eine würdige Stellung verschaffen kann!«
Pater Ivo nickte ihr dankbar zu und wandte sich an Almut.
»Und ich werde
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