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Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)

Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Gilbert
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sachkundige Pflege sich Prinzessin Auguste kümmerte. Sie hatte sich aus Deutschland ein ganzes Gefolge von Gärtnern mitgebracht, die darauf brannten, ein echtes, aber bescheidenes englisches Wiesengebiet in eine falsche, aber majestätische Landschaft zu verwandeln. Ihr Sohn, der zukünftige George III., verbrachte als Kind jeden Sommer dort. Als George König wurde, wollte er Kew zu einem botanischen Garten umgestalten, der seinen Konkurrenten auf dem Festland in nichts nachstehen sollte. Im Bereich der Botanik waren die Engländer auf ihrer kalten, nassen, abgeschiedenen Insel im Vergleich zum restlichen Europa ins Hintertreffen geraten, ein Rückstand, den George III. unbedingt aufholen wollte.
    Henrys Vater war Obstgärtner in Kew – ein bescheidener, von seinen Dienstherren respektierter Mann, soweit man einen bescheidenen Obstgärtner respektieren kann. Mr Whittaker hatte ein Händchen für Obstbäume, denen er mit großer Achtung begegnete. (»Sie geben dem Land etwas für seine Mühe zurück«, pflegte er zu sagen. »Im Gegensatz zu den anderen.«) Einmal hatte er den Lieblingsapfelbaum des Königs gerettet, indem er einen Sprössling des dahinsiechenden Baums auf einen robusteren Wurzelstock pfropfte. Noch im selben Jahr hatte der neue Spross Früchte getragen und bald scheffelweise Äpfel hervorgebracht. Für dieses Wunder hatte der König höchstpersönlich Mr Whittaker den Spitznamen »Der Apfelmagier« gegeben.
    Bei allem Talent war der Apfelmagier ein einfacher Mann mit einer scheuen Ehefrau. Nichtsdestotrotz bekamen die beiden, aus welchem Grund auch immer, sechs ruppige, geradezu brutale Söhne, darunter ein Junge, den man den »Schrecken von Richmond« nannte, und zwei weitere, die in Wirtshausprügeleien ihr Leben ließen.
    Henry, der jüngste, war in gewisser Weise der ruppigste von allen, aber vielleicht musste er das ja sein, um sich gegen seine Brüder zu behaupten. Er war ein störrischer, hartnäckiger, magerer kleiner Kerl und ein Ausbund an ungezügeltem Erfindungsreichtum. Bei ihm konnte man sich darauf verlassen, dass er die Schläge der Brüder stoisch ertrug und immer wieder die eigene Unerschrockenheit unter Beweis stellte, wenn andere ihn dazu provozierten. Doch auch ohne seine Brüder verfügte Henry über eine gefährliche Experimentierfreude und einen gewagten Hang zum Zündeln, er war ein auf Dächern herumtollender Spottvogel, der die Hausfrauen verhöhnte, eine Gefahr für alle kleineren Kinder, kurzum ein Junge, bei dem es niemanden überrascht hätte, wenn er von einem Kirchturm gestürzt oder in der Themse ertrunken wäre – wenngleich es zu derlei Dingen, dem Zufall sei’s gedankt, niemals kam.
    Im Gegensatz zu seinen Brüdern hatte Henry allerdings eine rettende Eigenschaft. Eigentlich sogar zwei, um genau zu sein: Er war intelligent, und er interessierte sich für Bäume. Es wäre übertrieben, zu behaupten, dass er Bäume genauso verehrte wie sein Vater, aber er interessierte sich für sie, weil sie in seiner ärmlichen Welt zu den wenigen Dingen gehörten, die er ohne weiteres studieren konnte und somit studieren wollte. Die Schreibkunst, das Bogenschießen, Reiten, Tanzen, Latein – das alles war Henry verwehrt. Doch er hatte die Bäume und seinen Vater, den Apfelmagier, der es geduldig auf sich nahm, ihn zu unterrichten.
    So lernte Henry alles über die Werkzeuge des Pfropfens, über Lehm, Wachs und Messer und darüber, wie man mit kluger Hand Pflanzen beschnitt. Er lernte, wie man Bäume im Frühling umpflanzte, wenn der Boden feucht und dicht war, oder im Herbst, wenn der Boden locker und trocken war. Er lernte, wie man Aprikosen mit Pfählen stützte, um sie vor Wind zu schützen, wie man in der Orangerie Zitrusgewächse züchtete, wie man mit Rauch dem Mehltau auf den Stachelbeeren zu Leibe rückte, wie man den Feigen ihre kranken Teile abschnitt und wann man es sein lassen konnte. Er lernte, wie man ohne Gefühlsduselei oder schlechtes Gewissen einem alten Baum die ramponierte Rinde abzog, damit sich für die kommenden Jahreszeiten wieder Leben in ihm regte.
    Henry lernte viel von seinem Vater, obgleich er sich auch für ihn schämte, denn er spürte seine Schwäche. Wenn Mr Whittaker wirklich der große Apfelmagier war, überlegte Henry, warum hatte sich die Bewunderung des Königs dann in keinerlei Wohlstand niedergeschlagen? Dümmere Männer waren reich – und zwar in großer Zahl. Warum lebten die Whittakers immer noch bei den Schweinen, wo doch die

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