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Das Wesen. Psychothriller

Das Wesen. Psychothriller

Titel: Das Wesen. Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Strobel
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zu entführen«, sagte er.
    »Aber nein, der Gedanke wäre doch schon Polizeiarbeit, oder?«
    Ich konnte unmöglich so schnell reagieren, wie Menkhoff von seinem Stuhl hochschnellte, sich nach vorn beugte und Lichner am T-Shirt packte. Obwohl er dabei so weit über dem Schreibtisch hing, dass er kaum noch Halt haben konnte, schaffte er es, Lichner aus dem Stuhl hoch- und zu sich heranzuziehen, bis ihre Gesichter nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt waren. Mit zwei Schritten war ich neben ihm, bereit, jederzeit dazwischenzugehen.
    »Wenn Sie noch einmal Ihr Schandmaul für einen Ihrer Scheißwitze aufmachen, während meine Tochter in Lebensgefahr schwebt, dann schlage ich Ihnen die Zähne ein«, sagte Menkhoff gepresst, und ich merkte seiner Stimme an, dass es ernst war damit.
    Lichner spürte wohl, dass es besser war, nichts mehr zu sagen. Er stand reglos da, Menkhoffs geballte Fäuste mit einem Stück seines Shirts dazwischen unter dem Kinn, und erwiderte stumm dessen Blick.
    »Lass gut sein, Bernd«, sagte ich. »Ich glaube, er hat’s kapiert.«
    Ganz langsam öffnete er die Fäuste und entließ Lichner aus seinem Griff. Als er die Hände frei hatte, musste er sich auf der Schreibtischplatte abstützen, um nicht mit dem Oberkörper nach vorne zu kippen.
    Lichner ließ sich wieder auf den Stuhl sinken und zog sein T-Shirt notdürftig glatt. Sein Gesicht verriet nichts darüber, was in seinem Kopf vor sich ging, es glich einer Maske. Ich lehnte mich an die Kante von Menkhoffs Schreibtisch. »Gibt es sonst noch was, was uns weiterhelfen könnte, Dr. Lichner?«, fragte ich.
    Lichner hob bemüht gelassen die Schultern. »Im Moment nicht, und wenn, dann würde ich …«
    »Was?«, fragte ich, als er nicht weitersprach.
    »Nichts. Nein, es gibt sonst im Moment nichts.«
    »Dann verschwinden Sie«, sagte Menkhoff, ohne ihn dabei anzusehen.
    Lichner stand auf und fragte: »Muss ich nichts unterschreiben wegen des Diebstahls?« Menkhoff reagierte nicht darauf, und schließlich schüttelte Lichner den Kopf und ging.
    Ich folgte ihm. Als wir das Treppenhaus erreicht hatten, drehte er sich zu mir um. »Ihr liebenswerter Partner hat damals dafür gesorgt, dass ich unschuldig eingesperrt wurde, ob Sie das nun glauben oder nicht. Und wissen Sie was? Wenn es hier um sein Leben ginge, würde ich mich genüsslich zurücklehnen und abwarten, was passiert. Es geht aber leider nicht um sein Leben, sondern um das eines kleinen Kindes. Seines Kindes. Und dieser Mann schafft es nicht mal in dieser Situation, seinen irrationalen Hass auf mich zur Seite zu schieben und über seinen Schatten zu springen. Ich weiß nicht, ob ich wirklich helfen kann, Nicole und seine Tochter zu finden, aber ich wollte es zumindest versuchen.«
    »Warum eigentlich?«, fragte ich. »Warum wollen Sie uns helfen?«
    Auf seinem Gesicht zeigte sich Verwunderung. »Das fragen Sie mich ernsthaft? Weil es um das Leben eines
Kindes
geht, das nichts dafür kann, dass es ausgerechnet Hauptkommissar Menkhoff zum Vater hat.« Ich nickte. Was konnte ich dazu noch sagen? »Und weil ich ihn beschämen möchte«, fügte er hinzu. »Ich möchte ihm zeigen, dass es Menschen gibt, die nicht alles um sich herum aus Wut oder Hass vergessen. Können Sie das verstehen, Herr Hauptkommissar, oder sind solche Vorstellungen in Polizistenköpfen grundsätzlich ausgeschaltet?«
    Ich ignorierte die leichten Stiche auf meiner Stirn, weil ich mich von Joachim Lichner nicht mehr provozieren lassen wollte, und auch, weil ich das, was er vorher gesagt hatte, sogar nachvollziehen konnte. Ohne ein weiteres Wort wandte Lichner sich ab und ging zur Treppe. Sekunden später war er aus meinem Blickfeld verschwunden.
    Menkhoff knallte den Telefonhörer auf das Gerät, als ich in unser Büro zurückkam. »Nichts. Nicole ist wie vom Erdboden verschluckt. Gestern hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass sie es alleine bis vor die Haustür schafft, und jetzt entführt sie ein Kind aus dem Kindergarten und versteckt sich mit ihm so gut, dass eine Hundertschaft sie nicht findet, verdammt.« Er sah zu mir herüber. »Hat Lichner noch was gesagt?«
    »Er hat sich gewundert, dass du seine Hilfe nicht annimmst«, sagte ich.
    »Pah! Seine Hilfe. Der Scheißkerl weidet sich doch an meiner Verzweiflung. Das ist der einzige Grund, warum er sich plötzlich so hilfreich gibt und hier extra aufkreuzt.«
    »Warum wolltest du nicht, dass er etwas von Nicoles Anruf erfährt?«
    »Ach, das war so ein

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