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Das Wesen. Psychothriller

Das Wesen. Psychothriller

Titel: Das Wesen. Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Strobel
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auflegte und damit den penetranten Summton beendete, sagte ich: »Bernd? Was meinte sie mit diesem
Ding damals
? Und was wolltest du, dass sie tut?«
    Er atmete schwer aus, starrte auf den Schreibtisch. Dann drehte er langsam den Kopf und sah mich an. Sein Blick verhieß nichts Gutes. »Meine Tochter ist entführt worden, und nach dem, was wir gerade gehört haben, ist sie in allergrößter Gefahr. Und was tut mein Partner?« Seine Stimme war mit jedem Wort lauter geworden, den letzten Satz hatte er schon geschrien. »Stellt mir scheiß Fragen über Dinge, die 16 Jahre zurückliegen.« Seine Wangen wurden rot. »Es geht gerade nicht um Dienstvorschriften oder um irgendwelchen lange vergessenen Scheiß, Alex, sondern um Luisa, kapierst du das?« Wir starrten uns an. Ich war verwirrt und überlegte fieberhaft, was ich tun sollte. Der Schock darüber, dass ich mit meinen geheimsten, mit meinen
schlimmsten
Befürchtungen in all den Jahren offenbar recht gehabt hatte, lähmte meinen Verstand. Ich sah in dieses vor Wut und auch vor Verzweiflung verzerrte Gesicht und sagte mir wie ein Mantra immer und immer wieder vor, dass ich nun reagieren musste. Dass ich irgendetwas tun musste. »Gut«, hörte ich mich sagen. »Du hast recht. Reden wir später darüber.«
    »Ja verdammt, reden wir später darüber. Können wir uns jetzt wieder mit Luisa beschäftigen?«
    Aus den Augenwinkeln bemerkte ich Bewegungen. Zwei unserer Kollegen standen am Eingang zu unserem Büro und sahen uns besorgt an. »Was?«, ranzte Menkhoff sie an, woraufhin sie sofort verschwanden.
    Es fiel mir nicht leicht, seinem Blick standzuhalten, als er mich wieder ansah. Nicht, weil ich Angst vor ihm hatte, sondern weil ich befürchtete, er würde mir anmerken, dass meine Gedanken sich wie in einem Strudel um das Haargummi eines kleinen Mädchens drehten, eines Mädchens, das seit 16 Jahren tot war. Und um die Stimme ihrer Mutter, die mir am Telefon sagte, dass mein Partner ohne mein Wissen das Zimmer der Kleinen durchsucht hatte.
    »Dass Lichner eben nicht zu Hause war«, sagte Menkhoff und lenkte mich damit zumindest ein Stück weit von diesen Gedanken ab, »ist das Zufall? Oder hat er vielleicht gerade neben ihr gestanden und sie gezwungen –« Er wurde von einem Kollegen unterbrochen, der am Eingang stand und sagte: »Bernd, der Portier versucht dich die ganze Zeit zu erreichen. Unten steht Joachim Lichner. Er möchte zu dir.«
    »Das dürfte die Frage beantworten«, sagte ich, und ich wusste nicht, ob es mir gelungen war, einen vorwurfsvollen Unterton zu vermeiden. »Ich hol ihn ab.«
    Ohne Menkhoffs Reaktion abzuwarten, setzte ich mich in Bewegung. Ich war schon auf dem Flur, als ich von innen seine Stimme hörte: »Alex? Sag ihm nichts von dem Anruf!«
    Im Treppenhaus blieb ich nach ein paar Stufen stehen. Ich sah mich um, obwohl es dort außer den schmucklosen Wänden und den abgenutzten, dunkelgrauen Marmorstufen nichts zu sehen gab. Wie oft war ich schon durch dieses Treppenhaus gelaufen? 3000-mal? 4000? Wahrscheinlich. Und doch war mir, als sähe ich die schmutzig-beigen Wände mit den Augen eines anderen. Es wirkte alles so anders, so … fremd. Ja, das war es. Plötzlich schien ich nicht mehr dorthin zu gehören, nichts mehr schien so zu sein, wie es viele Jahre lang gewesen war.
    Ich war im Begriff, das Vertrauen in meinen Partner zu verlieren. Auch wenn mich die Zweifel all die Jahre über geplagt hatten, so bestand doch die ganze Zeit über die Möglichkeit, nein, die große Wahrscheinlichkeit, dass mein Gefühl mich damals getäuscht hatte. Daran hatte ich mich festgehalten, die ganze Zeit. Jetzt
wusste
ich, mein Gefühl hatte mich nicht getäuscht, und diese Gewissheit änderte alles. Ich dachte an Mel, sah ihr vertrautes, lächelndes Gesicht vor mir. Ich sehnte mich so unglaublich stark nach ihr, dass es mir fast körperliche Schmerzen bereitete. Aber auch etwas anderes erkämpfte sich wieder seinen Platz in meinen Gedanken: Wir mussten Luisa finden. Das hatte Vorrang vor allem anderen. Danach …
    Mit einem Ruck stieß ich mich von der Wand ab, gegen die ich mich gelehnt hatte, und ging die restlichen Stufen herunter.
    Lichner saß auf einer der unbequemen Holzbänke, von denen einige an den Wänden im Eingangsbereich des Erdgeschosses standen. Er trug Jeans mit Turnschuhen und ein hellblaues T-Shirt. Als er mich sah, stand er ohne Hast auf und kam auf mich zu. »Herr Seifert? Mein Auto ist weg.«

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    24. Juli 2009, 14.25 h
    Als ich mit

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