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Das Wesen. Psychothriller

Das Wesen. Psychothriller

Titel: Das Wesen. Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Strobel
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es auch finden und verschwinden lassen, wenn er das Auto saubermacht. Deshalb hat sie es an sich genommen. Ja, Alex, als sie mir endlich davon erzählt hat, hab ich ihr gesagt, sie soll es an eine Stelle legen, wo wir es finden können. Wenn sie das Ding einfach so abgeliefert hätte, hätte Lichners Anwalt uns in der Luft zerrissen.«
    Er ließ sich zurück in den Sitz fallen. »Darüber, dass du mir tatsächlich zutraust, ich könnte Lichner das Ding untergeschoben haben, werde ich nachdenken, wenn meine Tochter in Sicherheit ist.« Damit stieg er aus. Ich folgte ihm im Abstand von zehn Sekunden.
    Menkhoff stand mit gezogener Waffe vor Lichners Wohnungstür, als ich in der ersten Etage ankam. Er wartete, bis ich dicht genug heran war, dann sagte er leise: »Ich rechts, du links.« Ich nickte und zog ebenfalls die Pistole. Menkhoff schob vorsichtig den Schlüssel ins Schloss, legte die andere Hand auf den Türknauf und zog daran, während er den Schlüssel umdrehte. Auf diese Weise zog sich der Schnapper fast reibungs- und damit geräuschlos zurück.
    Nach einem letzten Blick zu mir, den ich erneut mit einem Nicken quittierte, drückte er die Tür dann auf, und wir betraten mit vorsichtigen Schritten die Wohnung.
    Sekunden später wussten wir, dass niemand sich darin aufhielt. Meine Muskeln entspannten sich, und ich nahm den Modergeruch wieder bewusst wahr. Er kam mir noch extremer vor als beim letzten Mal.
    »Scheiße«, sagte Menkhoff. »Ich hatte gehofft, dass sie mit Luisa vielleicht hier wäre. Lass uns wieder abhauen.«
    Ich dachte an das frisch gestrichene Zimmer und suchte noch immer nach einer Erklärung dafür, dass dieser Raum so penibel renoviert worden war, während der Rest der Bude einer Müllkippe glich. »Ich schau mir nochmal schnell –«, setzte ich an, wurde aber durch Menkhoffs Mobiltelefon unterbrochen. Er meldete sich und hörte eine Weile zu. Als sich sein Gesicht aufhellte und er sagte: »Das ist gut«, beschleunigte sich mein Puls. Er bedankte sich für die Hilfe und beendete das Gespräch.
    »Was ist?«, fragte ich. »Gibt’s was Neues? Sag schon!«
    »Wolferts Vater hat es tatsächlich geschafft. Einer seiner Mitarbeiter hat über die spanischen Behörden die Adresse und die Telefonnummer von Nicoles Tante herausgefunden. Sie haben schon versucht, sie zu erreichen, aber noch ohne Erfolg. Ich werde mich gleich dranhängen, wenn wir zurück sind.«
    Wir standen uns gegenüber und sahen uns an, und mir wurde bewusst, dass sein Blick sich verändert hatte. Bernd Menkhoff kategorisierte die Menschen mit der Art, wie er sie ansah. Als ich ihm anfangs zugeteilt worden war, hatte eine Mischung aus Neugier und Überheblichkeit in seinem Gesicht gestanden, wenn er mich ansah. Mit der Zeit war die Überheblichkeit einem kollegialen Respekt gewichen, aus dem einige Jahre später schließlich Vertrauen geworden war. Ganz egal, in welcher Stimmungslage er war und welche Gefühle gerade in ihm tobten, das Grundvertrauen war für mich in seinen Augen immer erkennbar gewesen. Bis zu diesem Moment. Doch auch die Art, wie er mich nun musterte, kannte ich ziemlich gut: Ich hatte sie schon unzählige Male gesehen, wenn wir Zeugenaussagen aufgenommen oder Verdächtige verhört hatten. Diesen Blick jetzt auf mir zu spüren war schmerzlich. »Bernd … Ich schau schnell nochmal in das renovierte Zimmer. Ich weiß nicht, irgendwie …«
    »Beeil dich. Ich will zurückfahren und diese Tante anrufen.«
    Ich drehte mich um und ging zu der Zimmertür. Bevor ich sie öffnete, sah ich nochmal zu ihm herüber. »Bernd, ich … Mensch, Bernd …« Er sagte nichts, sah mich auch nicht an.
    Ich ging in das Zimmer, stellte mich in die Mitte des Raumes und versuchte, mich zu konzentrieren, betrachtete die pastellgelben Wände, die Putzklappe des Kamins an der Wand mir gegenüber, die klare, sauber gearbeitete Linie im Deckenwinkel … Ich sah das alles, und … irgendetwas hier … es war eine Ahnung, aber ich wusste nicht, nach was für einem Hinweis ich hier eigentlich suchte. Schließlich gab ich es auf.
    Menkhoff stand nicht mehr im Flur, als ich aus dem Zimmer kam. Ich ging zur Wohnungstür und sah ihn draußen, an das Treppengeländer gelehnt, den Blick starr auf einen Punkt vor sich auf den Boden gerichtet. In seinem Gesicht spiegelte sich die ganze Verzweiflung wider, die er empfinden musste, und ich machte mir Vorwürfe. Dieses blöde Haargummi – hätte das nicht wenigstens warten können, bis … ja,

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