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Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert

Titel: Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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er es nicht übers Herz brachte, eines der Schweine zu schlachten, war er auf das magere Fleisch der Vögel angewiesen. Er würde sie später braten und essen, während er in einem Buch seines Vaters las. Auf der Wolkeninsel war das Lesen verboten, da die Zeitwindpriester seit jeher jegliche Form von Überlieferung und Wissen unterdrückten. Der Besitz von Büchern wurde mit Ausschluss aus der Gemeinschaft geahndet. Deshalb hatten Cesare und Niccolo ihr kleines Haus so weit draußen am äußeren Rand errichtet. Sie hatten es nie bereut. Sollten die anderen an ihrer Dummheit ersticken, vor allem Herzog Jacopo de Medici, das Oberhaupt des Wolkenvolks, und seine verzog e ne Tochter Alessia.
    Die Menschen am Fuß der Aetherpumpen liefen aufgeregt hin und her, versammelten sich im Pulk und debattierten heftig, um dann erneut die Pumpen in Augenschein zu nehmen, so als wüsste einer von ihnen tatsächlich noch, wie die Technik im Inneren der schwarzen Türme funktionierte. Cesare hatte oft darüber gelacht, dass sie alle von etwas am Leben erhalten wurden, das sie nicht mehr verstanden. Vielleicht hatte die allererste Generation des Wolkenvolkes noch gewusst, auf welche Weise die Pumpen den Aether aus der Unendlichkeit zapften. Heute war das längst in Vergessenheit geraten. Kein Wunder , solange die Zeitwindpriester das Lesen und Schreiben unterdrückten, solange Bücher verboten und Gelehrte geächtet wurden.
    Der Große Leonardo, der legendäre Erbauer der Aetherpu m pen, hätte sich wohl dreimal überlegt, ob er die reichen Gaben der Medici für seine Forschungen angenommen hätte, wäre ihm bewusst gewesen, welche Zukunft dem Wolkenvolk bevorstand. Nichts hatte sich weiterentwickelt in zweihundertfünfzig Jahren, kein Fortschritt, kein neu erlangtes Wissen.
    Erst der Zeitwind wird Veränderung bringen, predigten die Priester in ihren Windmühlen. Veränderung von Menschenhand war in den Hohen Lüften so unerwünscht wie freier Wille und das Recht, sein eigener Herr zu sein.
    Niccolo schlich langsam hinter der wattigen Erhebung entlang. Die sechs Aetherpumpen waren in einem weiten Kreis angeor d net, zweihundert Schritt im Durchmesser. Die Menschen wanderten jetzt von einer Pumpe zur anderen, betasteten ihre metallenen Fundamente und legten die Ohren daran, um ins Innere zu horchen. Andere starrten angestrengt zu den fernen Spitzen empor, folgten mit Blicken dem Verlauf der dünnen Eisenfühler, deren Enden sich irgendwo in den Weiten des Himmels verloren. Zu weit oben für das menschliche Auge. Hoch genug, um die Regionen des Aethers zu erreichen, die jenseits des Himmels lagen.
    Sieben Männer und eine Frau, zählte Niccolo. Nein, keine Frau, verbesserte er sich gleich darauf – ein Mädchen, nicht älter als er selbst.
    Alessia de Medici schritt an der Seite ihres Vaters, des He r zogs Jacopo, und in ihrem Gefolge hasteten die Würdenträger des Rates von einer Pumpe zur nächsten. Oddantonio Carpi, der Schattendeuter, der aus den Wolkenschatten am Boden die Zukunft las. Federico da Montefeltro, der oberste der Zeitwin d priester. Tommaso Mantua, der höchste Ordnungswächter der Insel. Lorenzo Girolami, der Richter. Und natürlich Sandro Mirandola, kein Edler wie die anderen, sondern der Verantwor t liche für die Aetherpumpen. Erstaunlicherweise war er es, der die meiste Zeit über redete, und selbst aus der Ferne konnte Niccolo sehen, dass ihn irgendetwas beunruhigte.
    Tatsächlich schienen sie alle sich Sorgen zu machen, sogar Alessia, diese Ausgeburt von Arroganz und Selbstherrlichkeit. Niccolo konnte sie nicht ausstehen. Nie mand konnte sie ausst e hen, vermutlich nicht einmal ihr Vater. Nun, er vielleicht ein wenig.
    Niccolo fragte sich, was diese Sieben in solche Aufregung versetzt hatte. Aus dem Inneren der Pumpen ertönte das selbe rhythmische Stampfen wie eh und je, seit zweieinhalb Jahrhu n derten. Nichts erschien ihm auffällig oder Besorgnis erregend. Vielleicht konnte er sich unbemerkt noch näher heranschleichen, um zu hören, worüber sie sprachen.
    Da fiel sein Blick hinüber zum Hauptweg, der auf den Gipfel des Wolkenberges führte; Niccolo hatte ihn nicht benutzt, weil er lieber die steileren Hänge erklomm. Nun war er froh, denn zehn bewaffnete Leibwächter des Herzogs bildeten ein Spalier rechts und links des Weges, einer seichten Rinne in der weißen Wolkenoberfläche.
    Wenn die Soldaten ihn beim Spionieren entdeckten, würden sie ihn festnehmen. Vielleicht gar für ein paar Tage hinter

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