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Das Wrack

Titel: Das Wrack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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Derartiges ließ sich sehen, ja sonderbarerweise glich das Deck nicht einmal dem eines Fahrzeugs, das die Mannschaft in wilder Flucht verlassen und wo unordentlich umhergestreut lag, was sie doch nicht retten konnten. Das Deck hätte nicht reinlicher und mehr shipshape aussehen können, auch wenn es unter dem strengsten Kapitän in irgendeinem Hafen sicher vor Anker gelegen hätte. Sämtliche Falle und Brassen hingen ordentlich an den Pinnen oder waren an Deck, wie es sich gehört, aufgekoilt – ja das Deck schien an dem Tag selber gewaschen und gefegt zu sein. Sogar das Messingwerk am Gangspill, Ruder und Skylight schien wie frisch geputzt, und – sie hatten sich auch in der Tat nicht geirrt – aus dem Schlot der Kombüse wirbelte ein dünner blauer Rauch empor. Es musste jemand an Bord sein, aber sonderbar, dass er ihre Ankunft nicht bemerkt haben sollte und sich an Deck zeigte – war er krank?
    »Weiß der Henker, Bootsmann«, sagte der Steuermann mit halb unterdrückter Stimme, ein Bein noch immer über die Schanzkleidung geschlagen, auf der er ritt, ohne noch auf das Deck hinabzuspringen. »Wir hätten doch ein paar Waffen mitbringen sollen; die Geschichte hier kommt mir ganz unheimlich vor, als ob hier jemand im Hinterhalt liegen müsste und nun plötzlich auf uns herausspringen könnte.«
    »Wäre nur schlimm für den jemand dann«, bemerkte der Bootsmann trocken. »Denn dort am Schnaumast stehen Handspeichen genug, um ihm den Schädel windelweich zu klopfen. Möchte nur wissen, ob das Teewasser bald fertig ist.«
    Der Steuermann hatte einen Blick nach den erwähnten Handspeichen hinübergeworfen, die in der Tat dort in musterhafter Ordnung aufgestellt waren, und das gab ihm selber ein Gefühl der Sicherheit, denn ein solches Holz ist, in der Hand eines kräftigen Mannes, eine sehr wirksame und tüchtige Waffe.
    »Ja, dann kann's nichts helfen, Bootsmann«, rief er. »Die Zeit vergeht und die Sonne da drüben hat schon höllische Lust unterzuducken. Wir müssen sehen, wie die Sache steht«, und damit sprang er ohne weiteres an Deck hinab und zu dem Mast hinüber, nahm dort eine der Handspeichen herunter und klopfte damit, als er sah, dass ihm seine Leute ebenso schnell gefolgt waren, auf das Deck. Das Geräusch musste jeder hören, der sich an Bord befand – aber keine Antwort erfolgte. Es blieb alles totenstill und die Seeleute sahen einander kopfschüttelnd an.
    »Guck doch einmal einer in die Kombüse hinein«, sagte da der Steuermann, »ob frische Feuerung aufgelegt ist.«
    Einer der Leute sprang nach vorn und kehrte gleich darauf mit der Nachricht zurück, dass der Wasserkessel auf dem Feuer stünde und Steinkohlen nachgelegt wären, die vor kaum zehn Minuten aufgeschüttet sein müssten, denn ein Teil von ihnen war noch nicht einmal ordentlich angebrannt.
    »So hol mich dieser und jener«, sagte der Steuermann kopfschüttelnd, während er indes vergebens versucht hatte, einen Blick durch das geschlossene Skylight in die Kajüte hinabzuwerfen. »Wenn das nicht sonderbar ist. Hier, Jungens, fasst einmal an, wir wollen das Skylight abheben, dass wir nur erst sehen können, was da unten steckt.«
    Ein paar der Leute sprangen zu, um dem Befehl Folge zu leisten, aber es ging nicht. Die Skylight-Klappe oder Decke musste – wie das manchmal der Fall ist – von innen festgehakt sein.
    »Na dann kommt«, sagte der Mate entschlossen, »dann kann's nichts helfen; aber so viel weiß ich, dass ich nicht eher wieder von Bord gehe, bis ich nicht gesehen habe, wer hier sein Wesen treibt – nehmt euch die Handspaken und kommt mit.«
    Und damit stieg er entschlossen die vom Quarterdeck auf das Hauptdeck führende kleine Treppe hinab und stieß die Kajütentür auf, die nur angelehnt stand und in den innern Raum direkten Einlass gab.
    Neugierig hatten sich die Leute ihm nachgedrängt, blieben aber erstaunt auf der Schwelle stehen, als sie in der Kajüte auf dem kleinen Sofa, das hinten an der Rückwand befestigt stand, einen einzelnen Menschen lang ausgestreckt und, wie es schien, in tiefem Schlaf fanden.
    Der Bursche war jedenfalls Seemann, denn er trug nicht allein die Tracht, und zwar die kurze Jacke mit blanken Knöpfen, wie sie die Matrosen sonntags oder an Land anzulegen pflegen, sondern sein ganzes Aussehen verriet es auch; aber einen wohltätigen Eindruck machte dieses nicht.
    Er hatte krauses, schwarzes Haar und einen ebensolchen, vielleicht seit drei Wochen nicht rasierten Bart, aber um den Mund lag ein

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