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Das Wrack

Titel: Das Wrack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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treffen.
    Die Rahen waren allerdings schon vierkant gebrasst, und das Schiff lag auch noch halbwegs seinen Kurs, sodass man die Brise fangen konnte. Aber niemand wusste, wie stark sie plötzlich ausbrechen konnte, und die leichten Segel mussten deshalb eingenommen werden. Die aufsteigende Wolke sah düster genug dazu aus, und jetzt zuckte es sogar wie Wetterleuchten darin auf.
    Befehl folgte nun auf Befehl, rasch und hastig und ebenso ausgeführt. Die Bramsegel wurden geborgen; die Schoten des großen Segels, die aufgegeit hingen, blieben vor der Hand noch so; die Marsrahen wurden niedergelassen und die Marssegel gerefft – der Außenklüver war lange eingeholt, und auf Deck umher, um und über den toten Hai hin, lagen wild zerstreut und unordentlich die abgeworfenen Falle.
    Und jetzt kam sie heran – dunkelblau, fast schwarz färbte sich das Wasser, wo es der Wind zuerst fasste und zu kleinen, winzigen Wellen emporkräuselte –, immer näher kam es, immer rascher, und nun blähten die Segel auf; unter dem Bug schäumte die Flut, und das Schiff gehorchte zum ersten Mal wieder dem Steuer.
    Der erste Anprall des Windes war auch ein ziemlich heftiger, und die schlanke Brigg neigte sich unter dem Druck desselben auf die Seite; Blitz und Donner folgten bald danach und der Regen goss in Strömen nieder. Wie aber das eigentliche Gewitter erst vorübergestürmt war, nahm auch die Brise eine festere und mehr stete Haltung an und wehte jetzt, ohne nachzulassen, als der Himmel wieder sein blaues Antlitz zeigte, unvermindert von Süden fort.
    Gegen Abend noch ging die Betsy Ann, mit Leesegeln an beiden Seiten, vor dem Wind elf Knoten die Stunde ihre Bahn.

2. Die Einfahrt
    Flüchtigen Laufes verfolgte das wackere Schiff seine Bahn, und hinter ihm drein wälzten und tanzten die dunkelblauen, mit silbernem Schaum gekrönten Wogen. Das Deck war schon lange wieder geräumt und aufgewaschen, und der tote Hai zurück in die Flut geworfen, deren Schrecken er von nun an nicht mehr sein sollte. Schwerfällig sank der Körper in die Tiefe, um anderen seines Geschlechts zur Nahrung zu dienen, wie Tausende vorher schon ihm zum Opfer gefallen waren.
    Und die Brise hielt an. Gewöhnlich schwindet ein mit einem Gewitter heraufkommender Wind auch mit diesem wieder dahin, und besonders in der Nähe des Äquators ist das der Fall; hier aber hielt er aus, und als der Kapitän am nächsten Mittag, bei vollkommen klarem Himmel, wieder seine Observation nahm, fand er, dass das Osprey Reef, ohne es zu sehen, schon passiert war, und er am nächsten Tag also – wenn der Wind anhielt – recht gut die Passage in die barrier reefs erreichen konnte.
    Die Nacht verging ohne das geringste Außergewöhnliche, das Schiff lag Kurs an, etwas Nord-Nordwest, und die Brise frischte gegen Morgen eher noch etwas auf, als dass sie nachgelassen hätte. – Die Betsy Ann machte von vier bis acht Uhr morgens zwölf und einen halben Knoten. Das kam aber auch vielleicht daher, dass der Wind jetzt mehr herumgegangen war und fast genau von Osten blies. Dadurch fassten alle Segel so viel besser, und wenn auch die Leesegel unnütz geworden waren, zogen die Klüver desto mehr.
    Um zehn Uhr schon ließ der Kapitän den Kurs ändern und einen Strich mehr nach Westen anlegen, und ein Mann musste hinauf in den Vortop, um nach Lee zu auszuschauen, ob er nicht breakers (an Klippen brandende Wellen) oder irgendeine Landmarke oder vorragende Klippe selber entdecken könne.
    Die Betsy Ann befand sich aber noch immer zu weit vom Lande, und um zwölf Uhr, nachdem er die Sonne genommen, ließ der Kapitän plötzlich vierkant brassen und lief vor dem Wind gerade die barrier reefs an. Dem Breitengrad nach musste er sich genau in einer Höhe mit Raines Passage befinden und durfte deshalb nicht zu weit nach Norden auflaufen.
    Der Wind hatte aber jetzt auch merklich nachgelassen, und je eher sie die Passage erreichten, desto besser, da einem Schiff kaum etwas Fataleres geschehen kann, als unmittelbar in der Nähe der Riffe von Windstille befallen zu werden. Die Strömung geht in dieser Jahreszeit stets gegen die Klippen an, und manches Schiff ist schon dadurch auf die Felsen getrieben und zertrümmert worden.
    Der Kapitän stieg jetzt selber, mit seinem Teleskop versehen, in den Vortop hinauf, denn es beunruhigte ihn, dass sie noch nicht in Sicht der Klippen sein sollten, denen er sich, wenn sie dieselben nicht bald ausmachten, vor Abend auch nicht viel weiter nähern durfte.
    »Da drüben

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