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Das Wrack

Titel: Das Wrack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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gerade nichts dagegen – Steady da unten – steady!«
    »Steady it is, Sir.« –
    Selbst der Steuermann vergaß aber in diesem Augenblick das Wrack, denn sie liefen unmittelbar auf die Einfahrt zu, die sich indessen hier viel weiter zeigte, als es von außen den Anschein gehabt. Der Kanal war doch wenigstens zweihundert Schritt breit, also Raum genug, um im schlimmsten Fall selber hineinkreuzen zu können, da man ja ungestraft bis dicht an die steilen Korallenbänke hinanfahren kann. Mit günstigem Wind war es natürlich umso viel leichter, die Mitte des Fahrwassers zu halten, und doch ist es für den Seemann ein unbehagliches Gefühl, wenn er rechts und links von sich und voraus Brandung und drohende Klippen entdeckt, und sich noch dazu in einem Fahrwasser weiß, von dem nicht allein keine ganz vollkommenen Karten existieren, sondern nicht einmal existieren konnten, da ja die Koralle fast in jedem Jahr den Boden des Meeres verändert, und bald von da, bald von dort heraufwächst und neue Klippen bildet.
    Ja draußen in offener See, mit hinlänglichem Seeraum in Lee, mag seinethalben auch einmal ein Sturm wehen – was kümmert's den an solche Dinge gewöhnten Matrosen! Mit einem guten Schiff unter sich weiß er sich selbst im schwersten Wetter sicher, und der Sturm muss endlich doch vorüberblasen, wie schon so mancher vorübergeblasen ist. Nur die Nähe von Land – von dem der Landbewohner gerade so oft denkt, dass es ihm größere Sicherheit gewähren müsse – kann sein Herz rascher schlagen machen; denn so wacker sich ein gutes Schiff auch draußen in offener See halten mag, so ist es doch verloren, sobald sein Kiel nur den Grund berührt. Denn zerberstet es nicht beim Aufstoßen, so finden die furchtbaren Wogen jetzt einen Widerstand und brechen mit ihrem Gewicht alles zusammen, was sie erreichen.
    Schon die Nähe des Landes ist ihm deshalb unbehaglich, und mehr noch, wenn er, mit dem gerade darauf zusetzenden Wind, die Stellen vor sich sieht, über denen die Wogen ihre weißen schimmernden Kämme brechen. Jeder Einzelne steht dann erwartungsvoll und aufmerksam auf seinem Posten, denn er weiß recht gut, dass die geringste Versäumnis, ja nur ein langsam ausgeführter Befehl das Verderben des Schiffes und damit sein eigenes zur Folge haben kann.
    Kapitän Wilkie wusste aber genau, was er tat, und wenn ihm auch anfangs Zweifel aufgestiegen waren, ob diese anscheinend so breite und schöne Einfahrt auch wirklich die richtige sei und nicht etwa, wie das gar nicht so selten zwischen Korallen der Fall ist, nur eine falsche Bucht forme, in der er dann rettungslos verloren gewesen wäre, konnte er doch jetzt den breiten Kanal weit in die Riffe, und sogar bis zu einer leichten Biegung verfolgen, und segelte nun frisch mitten hinein.
    Er ließ auch nicht einmal Segel einnehmen, denn die Brise war ja überdies schwach genug, und was sein Steuermann von dem blitzenden Abendlicht gesprochen, glaubte er noch nicht recht. Der hatte es sich jetzt wahrscheinlich einmal in den Kopf gesetzt, nach dem Wrack hinüberzufahren, und suchte vielleicht deshalb nur Zeit zu gewinnen. Er aber war fest entschlossen, auch keinen Augenblick zu verlieren, um aus diesem klippendurchstreuten Fahrwasser wieder hinauszukommen, und so lange er segeln konnte, segelte er, das hatte er sich fest vorgenommen, Wrack oder keins.

3. Das Wrack
    Jetzt hatte die Betsy Ann den wirklichen Kanal erreicht, und der leichte Wind blieb ihr noch immer günstig; aber auch die zwischen die Riffe hineinsetzende Strömung kam ihr hier zustatten, und rasch und geräuschlos glitt das schlanke Fahrzeug über das hier spiegelhelle Wasser in die Passage hinein. An beiden Seiten kochte wohl die Brandung, aber konnte nicht einmal ihren Schaum bis hier herüber werfen, und etwa zehn Minuten später erreichte die Brigg jene schon von außen bemerkte Biegung, wohinein selbst nicht die Dünung oder das Schwellen der See dringen konnte.
    Aber hier fand der Kapitän doch jetzt, dass sein Obersteuermann Recht gehabt, als er ihm versicherte, er würde gegen Abend stillliegen müssen. Die schon ziemlich tief stehende Sonne warf in der Tat einen so blendenden Schimmer auf die Flut, dass es zur Unmöglichkeit wurde, irgendeine etwa darunter lauernde Gefahr zu erkennen. Es war nichts sichtbar, als der blendende auf dem Wasser liegende Schein, und Kapitän Wilkie sah sich wirklich gleich darauf genötigt, den Befehl zum Ankern zu geben.
    Das geworfene Lot zeigte hier nur elf Faden

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