Das Zaubergift
sicher keine besonders gesunde Gegend, aber für einen Kampfmönch wohl ganz in Ordnung. Oben in den Bergen sind sie sicher weit Schlimmeres gewohnt.
Ich frage mich, ob Heretius wohl noch in der Stadt ist, und überlege, ob ich vielleicht bei ihm vorbeischauen sollte. Er schuldet mir Geld, wenn ich genauer darüber nachdenke. Ich habe die Statue gefunden. Die Dinge sind zwar nicht so gelaufen, wie er es geplant hatte, aber dafür kann ich nichts. Mir ist zwar klar, dass er mich vermutlich nicht bezahlen wird, aber wenigstens gibt mir das die Möglichkeit, ihm zu erzählen, was ich von Leuten halte, die mich engagieren und dabei anlügen und dann auch noch Meuchelmörder anheuern, um den ganzen Dreck aufzuwischen.
Das Gebäude ist nicht so schlecht wie viele andere in Turai, aber mit seinen zerbröselnden Steinen und den sonnengebleichten Balken ist es wahrhaftig keine Bleibe, in der ich gern hausen würde. Kinder haben ihre Namen in den Stein eingeritzt, und die Haustür hängt schief in den Angeln. Wie alle anderen Haustüren in Turai ist auch diese weiß gestrichen, aber nach dem Aussehen des Gebäudes zu urteilen, hat das den Bewohnern auch kein Glück gebracht. Ich stoße sie auf. Die Fackeln sind gelöscht, und das Treppenhaus liegt im Dunkeln. Ich gehe hinauf. Heretius hat mir gesagt, dass er ganz oben wohnt. Als ich den obersten Treppenabsatz erreiche, ist es so dunkel, dass ich nicht mal mehr die Hand vor Augen sehe. Ich ertaste mit ausgestreckten Armen den Weg bis zur Tür und pralle schließlich dagegen. Es ertönt ein Fluch, als sie aufschwingt und dabei offenbar heftig gegen eine dahinter stehende Person schlägt. Dann ertönt das Geräusch eines Körpers, der schwer zu Boden stürzt. Im nächsten Augenblick stürme ich mit gezücktem Schwert durch den Eingang. Die Stimme kenne ich.
Dahinter liegt Sarin die Gnadenlose und bemüht sich gerade, wieder auf die Füße zu kommen. Ich setze ihr meine Schwertspitze an die Kehle. Das ist nur als kleine Aufforderung gedacht, schön liegen zu bleiben. Das Licht aus dem Hinterzimmer strömt in den Flur, und ich blicke finster auf Sarin hinunter. Aus den Augenwinkeln sehe ich etwas Gelbes. Ich riskiere einen kurzen Seitenblick. Sieht aus wie ein gelbes Kleiderbündel, das halb in dem einen Raum liegt, halb in dem anderen.
»Das war der Ehrenwerte Heretius, nehme ich an?«
Sarin antwortet nicht. Ich warne sie davor, auch nur den leisesten Mucks zu machen.
»Ich würde dir zu gern mein Schwert durch den Hals stechen.«
»Warum tust du es dann nicht?«
Das weiß ich selbst nicht, wirklich nicht. Ich werfe der gelb gekleideten Leiche noch einen Seitenblick zu. »Das Gold ist längst futsch. Warum hast du ihn umgebracht?«
»Er hat die Meuchelmörder engagiert, um Vexial zu töten.«
»Und wenn schon? Was geht es dich an?«
Sarin antwortet nicht. Bei jedem anderen hätte ich es sofort akzeptiert. Man kann nicht zulassen, dass der eigene Lehrer getötet wird, und nichts dagegen unternehmen. Jedenfalls nicht, wenn man viele Jahre in einem Bergkloster gelebt und unter seiner Anleitung gelernt hat. Ich habe nur nicht erwartet, dass Sarin zu Emotionen fähig ist. Andererseits hat sie ihn aber auch besucht, als er im Sterben lag.
»Du hast also Vexial gerächt. Und trotzdem warst du bereit, ihn bei dem Goldgeschäft übers Ohr zu hauen. Du wärst damit doch allein aus der Stadt verschwunden.«
»Natürlich.«
»Du bist wirklich so kalt wie das Herz eines Orgks, Sarin.«
Ich überlege, was ich tun soll. Der Dramaturg Zufall hat die ganze Szene so arrangiert, dass die Frau, die umzubringen ich gestern Abend noch geschworen habe, jetzt meiner Gnade ausgeliefert ist. Ich bin einfach nur hereingestürmt und habe sie umgeworfen. Und sie hat anscheinend gerade erst Heretius umgebracht, meinen Klienten. Aber das war auch kein toller Klient. Ich habe nicht vor, Heretius zu rächen. Aber da ist noch die Sache mit Bibendis’ Vater. Ich muss seinen Mörder noch aufspüren.
»Und da liegst du nun. Ich kann vielleicht der Garde nicht beweisen, dass du Thalius getötet hast, aber seine Tochter wird vielleicht zufrieden sein, wenn ich ihr sage, dass die Mörderin ihres Vaters ebenfalls tot ist.«
Ich drücke mein Schwert noch ein bisschen tiefer in ihre Kehle. Sarin sieht mich verächtlich an. Sie scheint einfach nicht in der Lage zu sein, Furcht zu zeigen. Vielleicht empfindet sie dieses Gefühl ja überhaupt nicht mehr. Und ihre nächsten Worte bestätigen diese Annahme,
Weitere Kostenlose Bücher