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Das Zeit-Tippen

Das Zeit-Tippen

Titel: Das Zeit-Tippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Dann
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aus, hängte ihn an die Kleiderhaken, wo er wie ein Gerippe in einem Kerker baumelte. Er entfernte nicht dessen Kraftpaket. Dann zog Flaccus seine Arbeitskleidung aus und schlüpfte in den Panzer zurück. Er fühlte sich wieder stark und wirklich und auch sauber, als hätte er sich gerade gewaschen und ausgeruht. Er zog seinen Straßenanzug an. Es entstanden ein paar Ausbeulungen, aber sie fielen nicht besonders auf. Der Panzer war nun Teil seiner Muskeln und Knochen; er war ihm so vertraut wie seine Haut. Flaccus mußte daran denken, die Hände in die Taschen zu stecken, wenn er die Bauhütte verließ.
    Es war Wochenende. Flaccus hatte drei Tage Schonzeit. Die einzigen Leute auf der Baustelle würden die Nachtwächter sein, und sie würden nicht bemerken, daß etwas nicht in Ordnung war.
    Clara schlief. Flaccus berührte sie, wurde kühner, küßte sie. Sie stöhnte und wachte allmählich auf. Flaccus erhob sich und ging zum Fenster, um die Stadt zu betrachten. Der Smog überzog alles mit grauem Gel. Flaccus stellte sich vor, daß sein Gebäude ein mit grauer Zuckerwatte umwickelter Stahlstiel war.
     
     
    „Klappen Sie die Sitze herunter, oder wollen Sie es so tun?“ Die Anhalterin beugte sich zu Flaccus. „Mir ist es egal, aber lassen Sie es uns tun.“ Sie schaltete leise Musik ein, aber nicht den Bildschirm.
    Die Windschutzscheibe beschlug etwas, dann wurde sie wieder klar. Flaccus beobachtete die Trennungslinien auf der Straße. Geradewegs zur Stadt, dachte er. Er spürte eine Kraftaufwallung. Geradewegs zur Stadt. Er wiederholte es, murmelte vor sich hin. Rings um ihn herum waren Wagen, die sich alle im gleichen Tempo bewegten. Aber er konnte nicht sehr weit sehen: Alles war von Smog oder Dunst bedeckt. Smog bedeutete die Stadt.
    „Komm schon“, sagte sie, wobei sie in seinen Zwickel griff und die fleischige Partie seiner Beine anfaßte. Sie stieß auf ein Metallband und fuhr mit dem Finger an seinem Rand entlang. Er stieß ihre Hand zurück.
     
     
    „Und das wäre alles“, sagte Clara, während sie sich eine neue Zigarette mit der alten anzündete. „Ich habe mich mit ihm seit ungefähr sechs Monaten getroffen, und ich wußte einfach nicht, wie ich es dir vorher beibringen sollte. Deshalb werde ich eine Zeitlang bei Freunden bleiben, bis ich mich entschlossen habe, was ich tun soll. Ist dir das recht?“
    Sie hatte es vorgezogen, mit ihm im Wohnzimmer zu sprechen und nicht im Schlafzimmer. Ihr Haar war hochgekämmt und ihr Make-up ziemlich dick aufgetragen. Flaccus fand sie plötzlich begehrenswert.
    „Ich glaube, das ist das beste. Das hast du doch immer gewollt, nicht wahr?“ Sie machte eine Pause, ihr Atem ging schwer. „Regt dich das, was ich dir sage, nicht auf?“
    Flaccus sah keinen Grund, ihr Gewissen zu beruhigen.
    Flaccus konnte sie jetzt nehmen. Er war stark genug dafür. Der Panzer war keine Verlängerung von Flaccus mehr: Er war Flaccus selbst. Sanft berührte er die Schulter der Anhalterin, drückte dann zu und zerquetschte sie zwischen seinen Fingern. Das Mädchen schrie auf und wurde ohnmächtig. Flaccus schüttelte wild den Kopf und hielt nach einem Ausweg Ausschau. Er rüttelte am Türgriff, aber der zerbrach in seiner Hand. Er zerschmetterte die Scheibe und schaute auf Clara herab.
    Sie atmete schwer und gab alberne leise Laute von sich. „Steck ihn rein“, sagte Clara durch ihre zusammengebissenen Zähne. Sie erinnerte ihn an eine gefräßig grinsende Tigerin. Er konnte fühlen, wie er verschwand. Bis nichts mehr übrigblieb als sein Penis, und der wurde kleiner und kleiner, bis auch er verschwand.

Das Zeit-Tippen
     
     
     
    Seit dem Zeit-Tippen verlief alles anders. Nichts war sicher, alles konnte sich ändern (was vom Standpunkt abhing), und fast alles konnte passieren, besonders mit vergeßlichen alten Männern, die sich Öfter im falschen Jahrhundert als in der falschen Straße wiederfanden.
    Nehmen Sie Moishe Hodel, der zu alt und zu dick war, um auf Leitern zu steigen; trotzdem bestand er darauf, auf das Dach seines Vorstadthauses zu klettern, um auf der Spitze einer Tuffsteinkirche in Goreme vor sechshundert Jahren zu sitzen. Statt zu beten, saß er einfach da und beobachtete die Mönche. Er behauptete, daß er, da Zeit und Raum meschugge, also verrückt seien, nach einem schnellen und göttlichen Weg zur Synagoge suchen wolle. Laßt die Gojim den Zug nehmen.
    Natürlich wußte Paley Litwak, der alt genug war, um etwas zu wissen, nichts mehr, als die Welt sich

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